Personen und Themen mit H
Schriftsteller und Gemeindesekretär, geb. 14.11.1797 Hamburg, gest. 25.11.1869 Hamburg
Der mit → Gabriel Riesser [1] befreundete Kaufmannssohn engagierte sich schon in jungen Jahren für die Jüdische Gemeinde in Hamburg und nahm aktiven Anteil an den Bemühungen zur Gleichberechtigung der Juden. In Zeitungsartikeln trat er gegen Diskriminierung und Judenfeindschaft auf. H. war an der Gründung des Vereins zur Beförderung nützlicher Gewerbe unter den Israeliten beteiligt und amtierte lange Zeit als dessen Sekretär. Als Anhänger der Reformbewegung wurde er 1828 zum Deputierten des → Tempelvereins [2] gewählt. Angesichts der antijüdischen → Ausschreitungen [3] des Jahres 1835 bekannte H. in seinem Tagebuch: »Das Explosive an sich war eigentlich nicht so wichtig als die niederträchtige Gesinnung, die die Hamburger Christen aller Klassen dabei an den Tag legten, Regierungsbehörden nicht ausgenommen. Mein Entschluss, von hier zu ziehen, sobald es meine Verhältnisse erlauben sollten, jedenfalls aber mindestens meine Söhne nicht für Hamburg zu erziehen, ist seitdem unerschütterlich.« H. blieb in Hamburg, einige seiner Kinder gingen aber später ins Ausland. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit als beeidigter Makler wurde H. 1840 als Sekretär der → Deutsch-Israelitischen Gemeinde [4] in Hamburg angestellt. Daneben wirkte er ehrenamtlich in → Vereinen [5], schrieb Gedichte und Liedtexte und war u. a. an der Neuauflage des 1841 vom Tempelverein herausgegebenen Gebetbuchs beteiligt. Als H.s wichtigste Veröffentlichung erschien 1867 sein Werk Zwei Epochen aus der Geschichte der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg. H. bezeichnete es »Repertorium aller zu den verschiedenen Zeitpunkten für die hamburgischen Juden in Geltung gewesenen Gesetze und Verordnungen.« Das Buch dokumentiert die staatlichen und innergemeindlichen Regelungen auf dem langen Weg zur rechtlichen Gleichstellung der Juden in Hamburg (→ Emanzipation [6]).
Journalist, geb. 7.6.1891 Prag, gest. 4.9.1973 Hamburg
H. widmete sein Leben der Literatur – »als Betrachter und Analytiker […], als Gestalter nur im entfernteren Sinn, niemals als Dichter«, fasste der Sohn eines jüdischen Anwalts einmal selbst zusammen. Als »Mann des Films« und Brückenbauer zwischen Religionen, Nationen und politischen Anschauungen möchte man ergänzen. Schon als Schüler in Prag hatte H. im Café »Arco« eine Gruppe junger Literaten (z. B. Franz Werfel, Paul Kornfeld) um sich geschart und lernte über Max Brod auch Franz Kafka kennen. Als Mitglied einer jüdischen Studentenvereinigung gab er 1911/12 die Herder-Blätter heraus, die zwischen deutschsprachiger und tschechischer Literatur, zwischen Juden und Christen vermitteln wollten. Es folgte ein kurzes Lektorat bei Kurt Wolff in Leipzig. Nach dem Ersten Weltkrieg kam H. um 1920 nach Berlin. Dort wurde er Kritiker beim Film-Kurier, Drehbuchautor und ab 1925 Herausgeber der Literarischen Welt. Das Blatt bot allen literarischen Strömungen ein Forum und hatte allein die »Scheidung des geistig Diskutablen« zur Maxime erhoben. Angriffe der Nationalsozialisten zwangen ihn 1933 zu einer Rückkehr nach Prag, wo er eine neue literarische Zeitschrift gründete. Doch die Welt im Wort konnte sich nicht etablieren. Danach schlug er sich als Filmkritiker durch. 1939 floh er nach Indien. Anfangs arbeitete er als Filmautor, dann als Zensor in einem Gefangenenlager der britisch-indischen Armee. Über London kam er 1948 nach Hamburg. Zunächst als britischer Controller, ab 1953 als Redakteur der Welt am Sonntag und der Welt wollte er helfen, »die Einheit des deutschen Schrifttums« wiederherzustellen. Bekannt war er den Lesern der Welt auch durch seine wöchentliche Caliban-Kolumne. Zudem schrieb er bei beiden Blättern bis zu seinem Tod über kulturelle und literarische Themen und publizierte zahlreiche, einschlägige Bücher.
H. bezeichnet die Vorbereitung auf die Siedlung in Palästina durch zionistische Organisationen (Hechaluz, Bachad) (→ Zionismus [8]) oder die orthodoxe Aguda-Jugend. Diese bildeten ihre Mitglieder in Landwirtschaft, Handwerk und Hauswirtschaft aus und boten Schulungen in jüdischer Geschichte und Kultur, hebräischer Sprache und – für Zionisten – kollektivem Leben an.
In Hamburg gab es in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Landwirtschaftsschule Schalom des Bachad in Neugraben und seit Juni 1932 das Jugendwohnheim (Bet Chaluz) (47) des Hechaluz in der Beneckestraße. 1933 stieg bei den Jugendlichen das Interesse an der H. Weitere Ausbildungsmöglichkeiten boten seit Juni 1933 eine Tischlerei (Emilienstr.) und die Siedlerschule Wilhelminenhöhe an. Sie wurde im Frühjahr 1934 wegen ihrer zionistischen Ausrichtung eingestellt und stattdessen ein Ausbildungslehrgang für Gärtner eingerichtet. Die Teilnehmer der H. lebten in den in Rissen/Blankenese entstandenen H.-Zentren: Ejn Chajim (August 1933), Schachal und Cherut-Charut (beide Dezember 1933). Diese waren Einrichtungen der Älteren-H. (ab 18 Jahre), für die Jüngeren der Mittleren-H. (14-17 Jahre) bestanden Wohnheime in der Schäferkampsallee (Februar 1936) und Klosterallee (Mai 1937). Eine H. des Hechaluz gab es seit Mai 1934 auch im sog. Brüderhof bei Tangstedt. Handwerkliche Ausbildungen boten die Lehrwerkstätten für Tischler und Schlosser in der Weidenallee, die von der → Deutsch-Israelitischen Gemeinde [9] im März 1934 eingerichtet worden waren. Anfang 1934 war außerdem eine seemännische Ausbildung der Fairplay-, später auch der Bernstein- und Schindler-Reederei aufgenommen worden. Es gelang, einige Lehrlinge in Schiffbaubetrieben in Hamburg und Lübeck unterzubringen. Sie bildeten die personelle Basis der 1934 entstehenden Handelsschifffahrt in Palästina. Für Mädchen gab es eigene Ausbildungsgänge. Sie wurden in Kleingruppen den H.-Zentren zugeordnet, um praktische Hauswirtschaft zu lernen. [10]Externe Jahreskurse gab es seit März 1934 in der Jüdischen Haushaltungsschule in Zusammenarbeit mit der Jüdischen Fachschule für Schneiderinnen (Heimhuderstr.) (60), interne in der Internatsschule des Mädchenwaisenhauses (Laufgraben). Seit Mai 1935 betrieb der Bachad eine religiöse Lehrschule für Mädchen (Johnsallee), der Noar Agudati bereits seit Februar 1935 (Werderstr.). Das Bet Chaluz in der Beneckestraße wurde zu einem Zentrum jüdischer Jugendkultur – und zu einem besonderen Ziel des → Novemberpogroms [11] 1938. Der Brüderhof stellte im Frühjahr 1939 seine Arbeit ein. Andere Zentren konnten ihre Tätigkeiten fortführen (besonders für die Jugend-Alija), mussten diese aber 1941 beenden. Bis 1938 hatten 800 Jugendliche ihre Ausbildung abgeschlossen.
(auch: Leo Raphaeli), Schauspieler, Kabarettist und Textdichter, geb. 15.11.1878 Erfurt, gest. 4.5.1942 Lodz
In Hamburg war H. erstmals 1903 als Jean in Strindbergs Fräulein Julie zu sehen. Seit 1906 trat er in der Hansestadt regelmäßig als Kabarettist auf. 1913 übernahm er die Leitung des Kleinen Theaters, Große Bleichen, heute Sitz des Ohnsorg-Theaters. Claire Waldoff war hier eine seiner berühmten Partnerinnen. In den zwanziger Jahren schrieb H. Texte für Revuen der großen Hamburger Theater. Von 1929 an gehörte er zudem zum Mitarbeiterkreis der Nordischen Rundfunk AG. Seine fast wöchentlichen Programme zeichneten sich durch Esprit und Humor aus; zahlreiche Hörerbriefe und liebevolle Karikaturen seiner Kollegen sind ein beredtes Zeugnis seiner großen Popularität. Im Mai 1934 eröffnete H. im Curiohaus sein Kabarett »Die Rosenrote Brille«, das mit einem beachtlichen Ensemble, bestehend aus bekannten jüdischen Schauspielern und Musikern, antrat. Trotz der strengen Zensur und der kritischen Kommentare der jüdischen Presse konnte sich das Programm zunächst bei ausverkauften Häusern erfolgreich behaupten. Doch Ende 1934 kam das Aus, als H. seinem Publikum einen den Zensoren vorenthaltenen, selbstverfassten »Offenen Brief eines deutschen Juden« vortrug. Das Kabarett wurde umgehend geschlossen und H. mit einem Auftrittsverbot belegt. Erst 1936 übernahm er die Leitung der Kleinkunst im Hamburger Kulturbund, durfte selbst aber nur selten auftreten. Schonungslose bis tollkühne Formulierungen in seinen Programmen, improvisierte ironische Seitenhiebe auf das NS-Regime und eine wenn auch nie veröffentlichte Persiflage auf die Bücherverbrennung zogen ihm endgültig den Hass der Aufsichtsbehörden zu. Im Oktober 1941 wurde H. mit dem ersten Deportationstransport von Hamburg nach Lodz/Litzmannstadt verschleppt, wo er wenige Monate später (unter ungeklärten Umständen) umkam.
Fotograf, geb. 14.5.1882 Hamburg, gest. 30.12.1940 Johannesburg
H., Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Hamburg, war in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts einer der bekanntesten Fotografen der Stadt, der seine Tätigkeit selbst als »künstlerische Bildnis-Photographie« beschrieb. Nach dem Abitur durchlief H. eine Ausbildung in Hamburg, Leipzig, München, Basel und Paris. 1909 bestand er die Meisterprüfung und führte ein eigenes Atelier in Hamburg. Hier fertigte er Porträts an, wobei er sich besonders auf Fotografien von Kindern spezialisierte. Daneben produzierte H. auch eine Reihe von Landschaftsaufnahmen. In allen Genres wollte er nach eigener Aussage »das Typische erfassen und zur Geltung bringen«. Seine Bilder erschienen in allen hamburgischen Tageszeitungen, ebenso in den Organen der Jüdischen Gemeinde. Verbandspolitisch engagierte sich H. in der von ihm mitbegründeten »Gesellschaft Deutscher Lichtbildner«. In erster Ehe war H. seit 1913 mit Sophie Freud (1893-1920) verheiratet, in zweiter Ehe mit Bertha Katzenstein (1897-1982). Eines der bekanntesten Porträts H.s zeigt seinen ersten Schwiegervater, den Psychoanalytiker Sigmund Freud. Nach 1933 verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation H.s aufgrund der → antisemitischen [12] Verfolgung dramatisch. Die Familie war gezwungen, ihre Wohnung aufzugeben und eine Notwohnung im Atelier einzurichten, bis auch dieses aufgegeben werden musste. Im April 1936 emigrierte H. mittellos nach Kapstadt, seine Frau und Tochter folgten einige Monate später (→ Emigration [13]). H. konnte dort zwar Ende 1938 wieder ein eigenes Geschäft in Johannesburg eröffnen, wurde aber schon bald aufgrund einer schweren Krankheit arbeitsunfähig und starb wenige Monate später.
Rabbiner und Historiker, geb. 20.2.1847 Ivenitz bei Wilna, gest. 15.5.1914 Hamburg
H., Spross einer durch ihre Gelehrsamkeit und Gottesfurcht weit über Ivenitz hinaus berühmten Familie, wuchs im Hause seiner Großväter in Ivenitz und Wilna auf. Talmudisch-rabbinische Bildung erwarb H. an der Jeschiwa in Volozhin und als Autodidakt in Wilna. 18-jährig heiratete er eine Cousine mütterlicherseits. Eine Stellung als Rabbiner in einer Ortschaft bei Minsk, die ihm zu dieser Zeit angeboten wurde, lehnte er ab. Stattdessen ließ er sich als Geschäftsmann in Wilna nieder, wo er alsbald als talmudischer Privatgelehrter zu hohem Ansehen gelangte. Er nahm vielfältige innergemeindliche Aufgaben wahr und agierte seit 1872 in offiziellen Belangen als Vertreter der orthodoxen russischen Juden. Geschäftliche Widrigkeiten im Tee-Handel zwangen ihn 1895 Wilna zu verlassen. Sechs Jahre der Wanderschaft durch ganz Europa folgten, in deren Verlauf er die ersten beiden Bände seines Hauptwerkes Dorot ha-Rishonim verfasste. Diese Geschichte der mündlichen Lehre von der Bibel bis in das nachtalmudische Zeitalter begründete seinen Ruhm als orthodoxer Historiker und ließ ihn 1901 zu einem der Initiatoren der Jüdisch-Literarischen Gesellschaft in Frankfurt werden. 1900 trug man ihm die Stelle des Rabbiners an der Lewin Salomon’schen Klaus (→ Jeschiwa [14]) in Hamburg an. Aus dieser Position heraus, die er von 1902 bis zu seinem Tod ausfüllte, suchte er seine Idee von einer internationalen Vereinigung des gesetzestreuen Judentums zu verwirklichen. Gleichermaßen anerkannt und einflussreich bei der russischen wie der westeuropäischen Orthodoxie, hatte er maßgeblich Anteil an der 1912 erfolgten Gründung der Agudas-Jisroel-Weltorganisation.
Mendel Joseph H. (1770-1852) war mittellos aus Halle eingewandert. In Hamburg betrieb er einen Warenhandel und später ein Bankgeschäft, dessen Aktivitäten 1907 endeten. Eine Bibliothek und eine Gemäldesammlung zeugen von kulturellen Interessen, das Zusammenleben der Familien von Schwiegervater und Schwiegersohn in einem mit Waren gefüllten Kaufmannshaus, von der Geringschätzung materiellen Komforts.
Mehrfach äußerte sich H. publizistisch zu Fragen vor allem wirtschaftspolitischer Natur. Als die Beschneidung seines Sohnes Nikolaus Ferdinand (1805-1876) anstand, beantragte er die Genehmigung der Konversion seiner gesamten Familie. Er lehnte eine Religion ab, die Verstöße gegen Ritualgesetze ernster nehme als echte moralische Vergehen, doch wurde deutlich, dass er zentrale Lehren des Christentums nicht zu übernehmen gedachte. Dass sich jeder Einwohner Hamburgs zu einer Religionsgemeinschaft zu bekennen hatte, ist wohl der Hauptgrund dafür, dass H., der durch die Taufe seinen Vornamen Mendel in Martin änderte, nicht zu einem aufgeklärten Atheismus gelangte. Nikolaus Ferdinand H. studierte Jura und wurde 1844 Senator, 1863 Bürgermeister. Nach ihm sind H.-straße und H.-platz benannt. Dass er 1861 Kirchspielsherr von St. Petri wurde, lässt vermuten, dass die jüdische Vorgeschichte seiner Familie schon weitgehend in Vergessenheit geraten war. Für seinen Sohn Martin Emil Ferdinand (1835-1925) wünschte sich Nikolaus Ferdinand H. eine juristische Ausbildung, die auch ihm den Zugang zum Senat eröffnet hätte. Als Martin H. aber schon als Primaner mit einem Wettbewerbsentwurf für das Hamburger Rathaus Anerkennung fand, gestattete ihm sein Vater die Ausbildung zum Architekten. Sein Verständnis für bürgerliche Repräsentation und für die Anforderungen der unterschiedlichsten Bauaufgaben machten Martin H. zum bedeutendsten Baumeister im Hamburg seiner Zeit. Er prägte weitgehend das Gesicht des Alstervorlandes, schuf mit dem heute abgerissenen Dovenhof das erste Kontorhaus auf kontinentaleuropäischem Boden und zusammen mit Emil Meerwein die Laeiszhalle und begründete und führte den Bund der Rathausbaumeister. Seine Memoiren stellte er unter das Motto »Meminisse juvabit« (»Es wird erfreulich sein, sich zu erinnern«) – an das Judentum nämlich. Wie sein Vater offenbarte er sich aber nur wenigen Freunden als Nachkomme von Juden – auch sein zweiter Großvater hatte dieser Religion angehört. Für spätere Mitglieder der Familie – etwa für Martin Ferdinand H. (1871-1963), der als Direktor der Hapag mit mehreren Schriften über politische, insbesondere handelspolitische Fragen hervortrat – lässt sich ein inneres Verhältnis zum Judentum nicht mehr nachweisen.
In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts fand die Beschäftigung mit der Ahnenforschung (Genealogie) in jüdischen Familien Deutschlands wachsendes Interesse. Ein organisatorischer Zusammenschluss jüdischer Genealogen bestand in Deutschland seit 1924, als Arthur Czellitzer die Gesellschaft für jüdische Familienforschung gründete.
Die von der Gesellschaft herausgegebene Zeitschrift Jüdische Familienforschung erschien bis 1938. Eine Renaissance der jüdischen Genealogie setzte in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA, Israel und westeuropäischen Ländern ein. Zahlreiche Vereinigungen jüdischer Familienforscher und ein internationaler Dachverband wurden gegründet; seit 1984 finden regelmäßig internationale Seminare für jüdische Genealogie statt. In Deutschland besteht seit 1996 die H. Sie befasst sich primär mit der Erforschung der Genealogie und Geschichte von Familien, die in Hamburg beheimatet waren. Familienforscher finden unentgeltlich Unterstützung, um bei der Suche nach genealogischen bzw. biographischen Daten von jüdischen Hamburger Vorfahren Erfolg zu haben. Der Ausbau von Datenbanken zu den historischen Geburts-, Heirats- und Sterberegistern und weiteren genealogischen Quellen der jüdischen Gemeinden Hamburgs gehört zu den vorrangigen Aktivitäten der Gesellschaft. Sie verfügt über eine Fachbibliothek, veranstaltet Vortragsabende und Exkursionen und gibt zusammen mit der Schweizerischen Vereinigung für jüdische Genealogie die Vierteljahreszeitschrift Maajan heraus. Die H. ist Mitglied der International Association of Jewish Genealogical Societies.
Germanistin, geb. 21.9.1896 Hamburg, gest. 8.4.1992 Stuttgart
H. fand erst lange nach ihrem Exil wissenschaftliche Anerkennung. 1896 als Tochter einer jüdischen Bankiersfamilie in Hamburg geboren, hatte sie zunächst alle Voraussetzungen für eine akademische Karriere. Ihr Vater John führte bis zu seinem Tod 1930 das Bankgeschäft Hamburger & Rosenberg. Von 1912 bis 1917 absolvierte H. private Realgymnasialkurse, um sich auf das Abitur vorzubereiten. Nach der Reifeprüfung studierte sie Philosophie, Literaturgeschichte und Geschichte in Berlin und München und promovierte 1922. Bis 1928 lebte sie als Privatgelehrte in Hamburg, von 1928 bis 1933 in Berlin. 1934 flüchtete H. nach Göteborg; ihre Mutter folgte ihr 1939, ihre Schwester Edith ging 1938 nach Ecuador (→ Emigration [13]). In Schweden unterrichtete H. Deutsch, lernte Schwedisch und publizierte in beiden Sprachen. Neben Arbeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts schrieb H. dort ihr wissenschaftliches Hauptwerk Die Logik der Dichtung, das bis heute ein Standardwerk ist. 1945 nahm H. die schwedische Staatsbürgerschaft an, versuchte aber trotzdem – vor allem nach dem Tod ihrer Mutter 1951 – nach Deutschland zurückzukehren. 1956 folgte sie dem Ruf der Technischen Hochschule Stuttgart, wo sie sich 1957 im Alter von 60 Jahren habilitierte. Bis 1976 lehrte sie an der TH (Universität) Stuttgart. Ihre Arbeitsgebiete umfassten neben den Schriften Thomas Manns vor allem eine Auseinandersetzung mit den Werken Schillers, Novalis’, Heines, Rilkes sowie Paul Celans und Nelly Sachs’. 1966 erhielt sie das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
In Harburg ist die Ansiedlung von Juden seit dem frühen 17. Jahrhundert nachweisbar. Im 19. Jahrhundert spielten Juden zunehmend eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben der Elbstadt. Seit der Jahrhundertmitte fielen gesetzliche Beschränkungen schrittweise fort, so dass es Juden möglich wurde, am starken Wirtschaftswachstum Harburgs teilzuhaben. Die Zahl der Gemeindemitglieder wuchs an von 175 Personen im Jahr 1864 auf 312 zur Jahrhundertwende und auf 358 im Jahr 1925.
Ein großer Teil der jüdischen Geschäftsleute betrieb erfolgreich Einzelhandelsgeschäfte, vornehmlich im Konfektionssektor, andere betätigten sich als Großhändler. Die bekannte Phoenix AG in Harburg geht auf eine Gründung der beiden jüdischen Brüder Louis Salomon Cohen und Abraham Albrecht Cohen im Jahre 1856 zurück. 1862/63 ließ die jüdische Gemeinde Harburg (auch Synagogengemeinde Harburg genannt) eine neue Synagoge (127) bauen, gestaltet im Rundbogenstil und mit romanisierenden Formen. Da im Betsaal von Anfang an eine Kanzel stand und kein Gitter den Blick von und zu den Frauenemporen einschränkte, ist zu vermuten, dass die Gemeinde eher liberal eingestellt war. Gemessen an der geringen Zahl von weniger als 30 Gemeindemitgliedern, die Anfang der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts Gemeindesteuern zahlen mussten, ist die Synagoge als aufwändig zu bezeichnen. Diese dokumentierte den Wohlstand und die Finanzkraft der Gemeinde. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Harburger Juden stellte sich gesellschaftliche Anerkennung ein. Zwei Kaufleute gehörten dem Harburger Kollegium der Bürgervorsteher an, drei andere bekleideten Ehrenämter in der Harburger Handelskammer. Der jüdische Arzt Emil Hirschfeld wurde 1919 zum Harburger Senator gewählt.
Der → Friedhof [15] der Gemeinde (128) liegt am Rand des Harburger Schwarzenbergs (heute Schwarzenbergpark) und wurde vermutlich schon 1614 angelegt. 1813 zerstörten napoleonische Truppen den Friedhof durch den Bau einer Schanze. Mit den heute vorhandenen 239 Steinen, die sämtlich nach der napoleonischen Zeit gesetzt wurden, ist der Grabmalbestand weitgehend erhalten. 1857 ließ die jüdische Gemeinde eine Leichenhalle auf ihrem Friedhof errichten, die ähnlich der Synagoge auf romanisierende Stilelemente zurückgriff. Seit 1933 verschlechterte sich die Situation auch der Harburger Juden, die schon vorher nicht von antisemitischen Anfeindungen verschont geblieben waren. Nicht zuletzt durch die Auswanderung wohlhabender Mitglieder geriet die Gemeinde zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. 1937 wurde die Jüdische Gemeinde Harburg-Wilhelmsburg, wie sie sich nach der Zusammenfassung Harburgs mit dem benachbarten Wilhelmsburg zur Großstadt Harburg-Wilhelmsburg (1927) nannte, zwangsweise mit den → Jüdischen Gemeinden Hamburg [4] und Wandsbek [16] zum → Jüdischen Religionsverband Hamburg [17] vereint. Am Abend des 10. November 1938 wurde die Synagoge geplündert und in Brand gesteckt (→ Novemberpogrom [11]). Der nur wenig zerstörte Bau wurde wohl erst 1941 abgerissen. Das Synagogengrundstück übereignete man nach dem Krieg der Jewish Trust Corporation for Germany (jüdische Treuhand zur Rückerstattung des während der nationalsozialistischen Diktatur enteigneten jüdischen Vermögens). Diese verkaufte das Grundstück an eine Baugesellschaft, die dort 1954/1955 Wohnungen errichtete. Auch die Leichenhalle auf dem Friedhof war im November 1938 in Brand gesteckt und wohl im Februar 1939 abgebrochen worden. Die letzte Bestattung auf dem Friedhof fand 1937 statt, 1939 wurde die Schließung angeordnet. Anfang 1943 verkaufte der Jüdische Religionsverband Hamburg den Friedhof zwangsweise an den Staat. In einem außergerichtlichen Vergleich sprach man den Friedhof 1952 der Jewish Trust Corporation for Germany zu. Heute gibt es keine jüdische Gemeinde mehr in Harburg. Der Friedhof ist das einzige noch vorhandene Zeichen jüdischen Lebens in der Elbstadt. Zum Gedenken an die Schändung der Synagoge wurde 1988 an ihrem ehemaligen Standort an der Ecke Eißendorfer Straße/Knoopstraße ein Mahnmal errichtet, zum Gedenken an die Schändung der Friedhofskapelle steht seit 1992 ein Gedenkstein auf dem Friedhof.
Bankier und Mäzen, geb. 19.10.1767 Hannover, gest. 23.12.1844 Hamburg
Siebzehnjährig zog H. aus seiner Geburtsstadt nach Hamburg, um im Bankhaus eines Onkels tätig zu werden. Später assoziierte er sich mit einem Wechselmakler und gründete 1797 mit Marcus Abraham Heckscher das Bankhaus Heckscher & Co. Dieses hatte während der napoleonischen Kriege mit Schmuggel durch die Kontinentalsperre Erfolg, während der Restaurationszeit dann mit Kriegslieferungen und internationalen Anleihen. H., dessen Geschäftssinn ebenso legendär war wie seine Ehrbarkeit, avancierte zu »Hamburgs Rothschild«, zu einem der reichsten Männer der Stadt. 1818 übernahm er das Bankhaus am Jungfernstieg allein. H. war einer der größten Mäzene in der Geschichte Hamburgs und half grundsätzlich ungeachtet der Konfession. Er gründete mehrere Stiftungen und finanzierte eine Volksschule ebenso wie eine Synagoge oder das Theater. Das → Israelitische Krankenhaus [18] (26), das er 1841 zum Andenken an seine Frau Betty stiftete, stand jedem Patienten offen. So wurde der fromme Jude, der nie das Bürgerrecht seiner Heimatstadt erhielt, schließlich eine ihrer ersten Integrationsfiguren, von der Bevölkerung mehr gewürdigt als von der Obrigkeit. Wurde etwa während des Aufruhrs von 1830 auch das Bankhaus Heine attackiert, so schützte es während der antisemitischen Krawalle fünf Jahre später (→ Ausschreitungen [3]) die Zivilcourage zufälliger Passanten vor Übergriffen. Der Bankier unterstützte zeitlebens seinen Neffen, den Dichter Heinrich Heine, nachdem er zunächst vergeblich versucht hatte, ihn als Tuchhändler in Hamburg zu etablieren. 1842, beim Großen Brand, war es H., der die Hamburger Wirtschaft vor dem Zusammenbruch rettete. Mit der Macht seines Hauses erhielt er den Kredit der Stadt und mit der Macht seiner Persönlichkeit die Moral der Kaufmannschaft aufrecht. H. verhinderte, dass aus der Krise eine Katastrophe wurde, und stellte erhebliche Mittel zum Wiederaufbau zur Verfügung. Angemessenen offiziellen Dank dafür erhielt er nie, nur die Patriotische Gesellschaft ernannte ihn 1843 in einer politischen Geste zum Ehrenmitglied. Was diese Ausnahmepersönlichkeit für Hamburg wirklich bedeutet hatte, zeigte sich eindrucksvoll bei H.s Beerdigung. Sie geriet zu einer stummen Demonstration seiner verbindenden Popularität. Tausende Hamburger, Juden wie Christen, begleiteten ihn spontan auf seinem letzten Weg nach Ottensen.
Jurist und Funktionär, geb. 4.1.1885 Vechta, gest. 21.12.1984 Plattsburg/NY (USA)
H. hatte 1914 in Delmenhorst die Zulassung als Rechtsanwalt erhalten. 1920 zog er nach Hamburg und praktizierte bis zum Berufsverbot im November 1938. Danach betätigte er sich noch als Testamentsvollstrecker, Nachlass- und Vermögensverwalter. Als »jüdischer Konsulent« wurde er nicht zugelassen. Im August 1941 stellte er sich der von → Max Plaut [19]geleiteten Bezirksstelle Nordwestdeutschland der Reichsvereinigung zur Verfügung. Einige Monate nachdem die Gestapo → Martin Heinrich Corten [20] als Hamburger Vertrauensmann der Rest-Reichsvereinigung eingesetzt hatte, wurde H., der wie jener in → Mischehe [21] lebte, zum Geschäftsführer des Büros in der Bornstraße berufen. Ihm oblagen u. a. die Bearbeitung der Heimeinkaufsverträge der Juden, die nach Theresienstadt deportiert wurden, und die Belegung der → »Judenhäuser« [22]. Im Februar 1945 musste er an der Zusammenstellung eines Transports nach Theresienstadt mitwirken, der erstmals auch die jüdischen Partner aus noch bestehenden »privilegierten« → Mischehen [21] betraf. Corten und er rechneten es sich später als Verdienst an, Rückstellungen aufgrund ärztlicher Atteste bewirkt zu haben. Bereits vor Kriegsende kam H. zu dem Schluss, die »rassisch« Verfolgten müssten im Nachkriegsdeutschland eine gemeinsame Interessenvertretung ins Leben rufen. So gründete er im Mai 1945 die »Hilfsgemeinschaft der Juden und Halbjuden«, die sich in religiöser Hinsicht neutral verhielt. H. unterhielt gute Kontakte zu deutschen und britischen Dienststellen und zur Hilfsorganisation American Jewish Joint Distribution Committee, die den überlebenden Hamburger Juden zugute kamen. Später ging die »Hilfsgemeinschaft« in der neu gegründeten → Jüdischen Gemeinde Hamburgs [23] auf, H. wurde dort Vorstandsmitglied und Justitiar. Im August 1945 erhielt er die Zulassung als Rechtsanwalt wieder, doch wanderte er im Februar 1947 in die USA aus, wo er fortan im Staat New York als Buchhalter arbeitete.
Kantor, geb. 7.8.1850 Laupheim, gest. 24.8.1925 Hamburg
H. tat sich schon früh mit seinem musikalischen Talent hervor, das seine Eltern nach Kräften zu fördern suchten. Infolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse konnte er jedoch sein mit zwölf Jahren begonnenes Studium am Stuttgarter Konservatorium nicht abschließen. Stattdessen war er gezwungen, eine Ausbildung als Lehrer und Vorsänger am evangelischen Seminar in Esslingen zu absolvieren. Seit 1868 zunächst im Dienst seiner Heimatgemeinde stehend, wechselte H. fünf Jahre später als Kantor an die neu erbaute Synagoge nach Ulm, wo er auch Gelegenheit hatte, sein Studium am Konservatorium wieder aufzunehmen. Im Jahre 1876 legte er die zweite staatliche Lehramtsprüfung und 1877 die zweite Vorsänger-Prüfung ab. Zwischenzeitlich wurden auch andere jüdische Gemeinden Deutschlands auf das außergewöhnliche Gesangstalent aufmerksam. Anfang 1879 berief der Israelitische → Tempelverein [2], dessen Rabbiner Max Sänger selbst aus Laupheim stammte, den jungen Kantor mit der schönen Baritonstimme in die Freie und Hansestadt. Schon während seiner zehn Jahre in Laupheim und Ulm hatte H. durch Kompositionen von Chorliteratur auf sich aufmerksam gemacht. In Hamburg traf er nicht nur seine spätere Ehefrau Caroline Franziska, geb. Herschel, sondern fand auch den seinen Fähigkeiten angemessenen Wirkungsrahmen. Die schöpferischen 34 Jahre, die er als Oberkantor am Reformtempel wirkte, zeigen H.s Kreativität und Produktivität auf sehr verschiedenen Gebieten. Neben Kompositionen gab er auch ein Gesangbuch heraus (1883), entwickelte das gemischte Chorwesen der Hamburger Reform-Gemeinde, gestaltete als Vorsänger den Gottesdienst, betätigte sich als Musikschriftsteller, bildete Sänger und Kantoren aus und war schließlich über 15 Jahre Vorsitzender des deutschen Kantorenverbandes.
(auch: William), Bildhauer und Maler, geb. 20.3.1887 Hamburg, gest. 12.9.1962 Ibiza
H., Sohn des Oberkantors → Moriz Henle [25] am Israelitischen → Tempel [2] in Hamburg, genoss zunächst eine Musiker-Ausbildung. Ab 1906 erhielt er Privatunterricht in Malerei, im selben Jahr begann er ein Studium der Bildhauerei an der Lewin-Funcke-Schule in Berlin, das er 1908 bis 1910 an der Münchner Akademie fortsetzte. Daran schlossen sich bis 1913 Studienaufenthalte in Rom und Florenz an. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er an der Westfront kämpfte, schloss sich H. kurzzeitig der Hamburgischen Sezession an und trat auch dem Deutschen Künstlerbund bei. Nach einem dreijährigen Italienaufenthalt kehrte H. 1926 nach Hamburg zurück, wo die Kunsthalle einzelne seiner Werke erwarb. H., der sich seit 1929 besonders auf Kinderporträts spezialisierte, darüber hinaus aber stets auch Landschaftsbilder anfertigte, stellte in seinen Gemälden ein außerordentliches Gespür für feine Formen und zarte Umrisse unter Beweis. Seine Porträtbüsten zeichneten sich durch Ähnlichkeit und Formstrenge aus. Ein begeisterter Anhänger von Aristide Maillol, gestaltete H. häufig knabenhafte Mädchenkörper nach antikem oder Renaissance-Vorbild. Nach 1933 wurde er aus der Hamburgischen Künstlerschaft sowie der Reichskulturkammer ausgeschlossen. Zudem wurde ein Gemälde H.s als »Entartete Kunst« in der Hamburger Kunsthalle beschlagnahmt. H., der sich seit 1935 im → Jüdischen Kulturbund [26] engagierte, emigrierte 1939 gemeinsam mit seiner Frau, der Weberin Margarete Brix, nach London (→ Emigration [13]). Hier trat er dem Freien Deutschen Kulturbund bei und verdingte sich als Bildrestaurator am Courtauld-Institute London. Zudem beteiligte er sich an der Webarbeit seiner Frau, die sie in eleganten Geschäften absetzte. Nach 1945 kehrte das Ehepaar H. zweimal zu Besuchen nach Hamburg zurück. H. kam bei einem Bade-Unfall vor Ibiza ums Leben.
Mediziner, geb. 4.9.1891 Koschmin (Posen), gest. 16.12.1973 Jerusalem
H. ließ sich nach dem mit der Promotion abgeschlossenen Medizinstudium in Hamburg nieder. 1929 richtete er eine Arztpraxis in Wandsbek ein, wo er am 1. April 1933 Opfer des Boykotts wurde, den er – als Zeichen des Widerstands – fotografisch dokumentierte. Im Juni 1933 verlor H. als »Nichtarier« die Kassenzulassung und seine berufliche Existenz. Im September 1934 musste H. gemeinsam mit seiner Frau und den drei Kindern Hamburg verlassen, emigrierte nach Palästina (→ Emigration [13]) und eröffnete in Jerusalem eine bescheidene Praxis. Da die Einnahmen nicht zum Lebensunterhalt ausreichten, verdingte er sich zeitweilig als Schiffsarzt und arbeitete in verschiedenen Krankenhäusern. 1939 reiste er nach Belgien, um Verwandte mit falschen Papieren aus Deutschland herauszuholen sowie um Gelder für den Aufbau des jüdischen Staates aufzutreiben. Arretiert und nach Palästina abgeschoben, folgten schwierige Jahre ohne ausreichendes Einkommen. Nach Kriegsende erfuhr H., dass sein Vater und seine Schwestern mit ihren Familien Opfer des Holocaust geworden waren. Depressionen und ein altes Herzleiden beeinträchtigten seine Arbeitsfähigkeit zunehmend. 1955 kehrte H. nach Hamburg zurück, um sich behandeln zu lassen. Etwa zeitgleich begann sein Kampf um eine Entschädigung für die erlittenen materiellen und beruflichen Schäden – und für seine Altersrente von der kassenärztlichen Vereinigung. H. musste sich erneut in Hamburg als Arzt niederlassen – im Alter von 65 Jahren, begleitet von seiner Frau. 1961 kehrte das Ehepaar endgültig nach Jerusalem zurück.
Salonière, geb. 1777 Potsdam, gest. 20.7.1829 Hamburg
H., geboren als Frommet Bacher, älteste Tochter des Steuerschätzers Selig Moses Bacher und seiner aus Hamburg stammenden Frau Blume, geb. Guggenheim, kam nach dem frühen Tod ihrer Mutter nach Hamburg, um sich ihren Lebensunterhalt als Gesellschafterin zu verdienen. In dieser Zeit änderte sie ihren Vornamen in Fanny. 1798 heiratete sie den 25 Jahre älteren Bankier Jacob Moses Hertz (1752-1833), dessen erste Ehefrau bereits 1793 verstorben war. Die Verbindung zwischen der kulturell vielseitig interessierten Fanny und dem im Geschäfts- und Gemeindeleben engagierten Jacob galt allgemein als Vernunftehe. Aus ihr gingen drei Kinder hervor: Adolph Jacob (geb. 1800), Salomon (geb. 1801) und Eduard (geb. 1811). Für die Erziehung ihrer beiden ersten Söhne engagierte das Ehepaar 1804 den 18-jährigen Karl August Varnhagen von Ense, einen protestantischen Medizinstudenten mit literarischen Ambitionen. Dass H. und Varnhagen von Ense bald eine Liebesbeziehung eingingen, blieb der Umgebung nicht verborgen. Freunde gingen davon aus, dass H. nach dem Tod ihres Ehemanns konvertieren und Varnhagen von Ense heiraten würde. Weil Varnhagen von Ense zuweilen befreundete Berliner Literaten im Hause Hertz empfing, wurde später vermutet, H. habe einen literarischen Salon unterhalten. Im März 1805 wurde Varnhagen von Ense durch einen anderen Erzieher protestantischer Herkunft ersetzt, weil er seine Ausbildung fortsetzen wollte. 1808 kehrte er dann nach Berlin zurück und heiratete dort 1814 Rahel Levin, nachdem diese sich hatte taufen lassen. Bis 1809 erhielt er noch Unterstützung von der Hertz-Familie, auch waren er und H. weiterhin eng befreundet. 1829 verstarb H., vier Jahre vor ihrem Mann Jacob. Sie hielt dem Judentum bis zum Schluss die Treue, ihr Sohn Adolph aber nahm den christlichen Glauben an wie viele andere ihrer Nachfahren auch.
Rechtsanwalt und Politiker, geb. 29.7.1877 Köthen (Anhalt), gest. 14.9.1951 Haifa
Der Sozialist H. setzte sich als Kommunalpolitiker in Altona, Hamburg und Berlin vor allem mit Wohlfahrtsfragen und juristischen Themen auseinander. In zahlreichen Schriften und Reden beschäftigte er sich überdies mit der Demokratisierung der Verwaltung. Er gehörte dem linken Flügel der SPD und 1917 bis 1922 dem gemäßigten Flügel der Unabhängigen SPD (USPD) an. H. ließ sich 1904 als Rechtsanwalt in Altona nieder. Er war einer der ersten fünf sozialdemokratischen Abgeordneten im Altonaer Stadtverordnetenhaus (ab 1910) und in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg neben Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim einer der drei namhaftesten Vertreter der innerparteilichen Opposition in der Hamburger SPD. 1918/19 prägte er zunächst als juristischer Berater und seit Ende 1918 als Mitglied die Politik der Exekutive des Arbeiterrats von Hamburg und Altona. 1921 bis 1926 amtierte H. dann als zweiter Bürgermeister des Berliner Bezirks Spandau und 1926 bis 1933 als erster Bürgermeister von Berlin-Kreuzberg. In dieser Zeit kämpfte er mit großer Leidenschaft für die auf Selbstverwaltung aufgebaute Demokratie. 1933 wurde H. von den Nationalsozialisten abgesetzt. In den folgenden Jahren schlug er sich mit juristischen Arbeiten, vornehmlich für Juden, durch. 1939 emigrierte H. mit seiner Frau Else nach London, wo er sich wieder im Sinne der gemäßigten USPD politisch betätigte. 1946 siedelte H. nach Palästina über, wo zwei seiner drei Kinder – der jüngste Sohn war in Auschwitz ermordet worden – als überzeugte Zionisten lebten.
Bankier und Politiker, geb. 17.1.1841 Hamburg, gest. 22.10.1902 Hamburg
H. besuchte die Stiftungsschule von 1815 (→ Isr. Freischule [27]), an der sein Vater als Schreib- und Rechenlehrer tätig war. Nach Abschluss der Schulbildung absolvierte er eine Banklehre und machte danach Karriere bei der Norddeutschen Bank. Sie verließ er 1879, um mit einem Kompagnon die Privatbank Hardy & Hinrichsen zu gründen. Parallel zur beruflichen Einspannung war H. zeitlebens ehrenamtlich aktiv. So war er u. a. Präses der Handelskammer und fungierte zeitweilig als Vorsitzender der Freihafenlagerhausgesellschaft. Genauso wichtig nahm H. seine Rolle als Vorsitzender des Vorstandes der Stiftungsschule von 1815. Eindeutige Dominanz im gemeinnützigen Engagement H.s hatte freilich die Politik. Als Dreißigjähriger wurde er 1871 erstmals in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt und blieb dann als Angehöriger der Fraktion »Linkes Zentrum« über 30 Jahre ihr Mitglied. Wortgewandte Argumentation, Humor und eine unverkennbare organisatorische Begabung zeichneten den Abgeordneten aus, weshalb er kontinuierlich in die allgemeine Geschäftsführung des Parlamentes einbezogen wurde. Ab 1872 war er Schriftführer, 1880 bis 1892 Erster Vizepräsident und schließlich von 1892 bis zu seinem Ableben Präsident der Bürgerschaft. H. beschäftigte sich in Redebeiträgen im Plenum und in der Ausschussarbeit mit den meisten gewichtigen Fragen, die sich der hamburgischen Politik in den drei Jahrzehnten seiner Zugehörigkeit zum Landesparlament stellten, etwa mit den Auswirkungen der Reichsgründung, dem Zollanschluss, der Choleraepidemie usw. Besonders nachhaltig war sein Einsatz für sachgerechte Lösungen im Bereich der Verfassungsgestaltung, der allgemeinen Verwaltung, der Geld- und Währungsvereinheitlichung, des Schulwesens und des Kulturlebens.
Rabbiner, geb. 17.2.1833 Tiszabö/Tisza-Beö (Ungarn), gest. 18.5.1909 Hamburg
H., Sohn und Enkel ungarischer Rabbiner, besuchte ab 1848 zunächst die Jeschiwa in Preßburg, danach in Csába. 1853 kam er nach Prag, wo er Schüler von Rabbiner Salomon J. Rapoport wurde und zugleich an der Universität studierte. 1856 übernahm er das Rabbineramt in Karcag (Ungarn), folgte jedoch kurz darauf einer Berufung zum Distrikrabbiner in seiner Heimatstadt Tiszabö. 1861 bis 1880 wirkte er als Gemeinderabbiner und Rektor der bedeutenden Talmud-Tora-Schule in Óbuda/Alt-Ofen (Ungarn). Von staatlicher Seite wurde er 1867 mit der Schlichtung der innerjüdischen Gemeindestreitigkeiten in Ungarn betraut und konnte 1869/70 erfolgreich darauf einwirken, die Spaltung der Gemeinden in unabhängige orthodoxe und liberale Körperschaften zu verhindern. Im März 1880 trat er das Amt des Prager Oberrabbiners an; in der Gemeinde galt er jedoch als zu konservativ. 1889 qualifizierten seine ehemals vermittelnde Haltung zwischen Anhängern der ungarischen Orthodoxie und der Reformbewegung sowie seine Bildung H. für die Berufung zum Oberrabbiner nach Hamburg (→ Rabbinat [29]). Sein paternalistisches Auftreten führte ihm die Herzen der einfachen Gemeindemitglieder zu und dank seiner Meisterschaft in der volkstümlichen Predigt entwickelte sich die unter seiner Amtsführung erbaute Synagoge am → Bornplatz [30] (50) zum gottesdienstlichen Mittelpunkt für die breite Masse. Sein Anliegen, die Bildung der Jugend zu fördern, ließ ihn in Hamburg zwei Religionsschulen für Jungen und Mädchen sowie die orthodoxe höhere Privatmädchenschule (ab 1912: Lyzeum Bieberstraße) (48) gründen. Als Ausschussmitglied der »Freien Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums« galt er als eine der Leitfiguren der Orthodoxie.
Die Vorgeschichte der Jüdischen Gemeinde Altona beginnt im 16. Jahrhundert mit der Gewährung von Partikular-, später Generalgeleiten, die an niederlassungswillige Juden vom jeweiligen Landesherrn (bis 1640 die Grafen von Holstein Schauenburg, danach bis 1842 die dänische Krone) erteilt wurden. Durch sie wurde Aufenthaltsrecht, Religionsausübung, Erwerbstätigkeit und landesherrlicher Schutz gegen die Entrichtung von Schutzgeld und die Verpflichtung von Wohlverhalten gewährt (→ Privilegien [31]).
Vom Beginn ihrer Niederlassung in Altona an bis 1842 waren die Altonaer Aschkenasen Schutzjuden. 1611 waren vier jüdische Familien in Altona zugelassen, in den folgenden Jahren kamen weitere hinzu. 1641 wurde das erste dänische Privileg von Christian IV. erteilt. Es gab keine festgelegte Obergrenze für die Zahl der zugelassenen Haushalte und keinerlei Vorschriften hinsichtlich des Grunderwerbs. Das Recht auf Religionsfreiheit enthielt die öffentliche Religionsausübung – den Synagogenbau eingeschlossen – und eine vom Schutzherrn gewährte Schutzzusage. Zusätzlich zu den vergleichsweise gut ausgestatteten Privilegien, war Altona auch durch seine Nähe zu Hamburg, das einerseits als prosperierender Wirtschaftsplatz und andererseits als Fluchtpunkt galt, von besonderer Anziehungskraft. Die Privilegien wurden bis in das 19. Jahrhundert regelmäßig verlängert und endeten 1842 mit einer königlichen Resolution, durch die Schutzverwandtschaft und Schutzgeldpflichtigkeit abgeschafft wurden und den deutschen Juden in Altona das Bürgerrecht gewährt wurde. [32]Mit dem »Gesetz betreffend die Verhältnisse der Juden im Herzogtum Holstein« vom 14. Juli 1863 wurde dann die bürgerliche Gleichstellung erreicht. Neben der Gewährung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten waren die Abschaffung der jüdischen → Gerichtsbarkeit [33] und die Unterstellung der Juden unter die allgemeine Gerichtsbarkeit von entscheidender Bedeutung. Eine Ausnahme galt hinsichtlich der Beibehaltung von Eheschließung und Scheidung nach jüdischem Recht, sofern sie nicht den allgemeinen Vorschriften zuwiderliefen. Darüber hinaus regelte das Gesetz die Religions- und Gemeindeverfassung wie auch das Schul- und Armenwesen der Juden in Holstein. Nach dem dänisch-preußischen Krieg wurden Schleswig und Holstein 1867 Preußen angegliedert.
Die Gründung der Gemeinde mit Gemeindevorstand, Rabbiner, Vorbeter und Gemeindediener erfolgte 1611, zusammen mit dem Erwerb eines Friedhofsgrundstücks (100) (→ Friedhof [15]) und der ersten auf diesem Gelände stattfindenden Beerdigung. Die Gemeinde entwickelte sich stetig, insbesondere unter dänischer Herrschaft, sie erreichte eine Gleichstellung mit den portugiesischen Juden, das Jurisdiktionsprivileg sowie die Etablierung des Altonaer Oberrabbiners als Richter und geistliches Oberhaupt der aschkenasischen Juden in Schleswig und Holstein (→ Rabbinat [29]). (1780: 1.911 Gemeindemitglieder) Im Jahr 1671 wurden auch die Hamburger Juden der Jurisdiktion des Altonaer Oberrabbiners unterstellt. Im Gemeindeverband AHW (→ Dreigemeinde [34]) beanspruchte die Altonaer Gemeinde zunächst aufgrund ihrer Größe und vergleichsweise gut entwickelten organisatorischen Struktur, ferner als Sitz des Jüdischen Gerichts sowie aufgrund ihres überregionalen Rufs als Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit, die Führung. Das wirtschaftliche Übergewicht der Altonaer Gemeinde sollte sich allerdings Ende des 18. Jahrhunderts bereits zugunsten Hamburgs verschieben, als immer mehr Gemeindemitglieder in Hamburg ansässig wurden. Bedeutsam wurde dies, nachdem sie die Mehrheit der wohlhabenden Gemeindemitglieder ausmachten und Ende des 18. Jahrhunderts bereits den größten Teil des Steueraufkommens der Gemeinde aufbrachten. Die Problematik kam u. a. deutlich in der Auseinandersetzung um die Auflösung des Gemeindeverbandes und der Gründung dreier voneinander unabhängiger Territorialgemeinden im Jahr 1812 zum Ausdruck. [35]Mit der Auflösung des Dreigemeindeverbandes ging die Vorherrschaft der Altonaer Gemeinde zu Ende. Sie entwickelte sich demographisch kaum noch (seit 1780 war die Zahl der Juden in Altona konstant geblieben; 1840: 2.100, 1867: 2.359, 1890: 2.070) und geriet im 20. Jahrhundert in Abhängigkeit von der → Deutsch-Israelitischen Gemeinde [4] Hamburg. Seit 1880 erfolgte, ausgelöst von Pogromen, ein Zuzug osteuropäischer Juden (→ »Ostjuden« [36]), die von der Gemeinde versorgt werden mussten. Dieser Anforderung war die Gemeinde in der Folgezeit materiell nicht mehr gewachsen. Das Gemeindestatut von 1894/95 schuf einerseits eine moderne Gemeindeverwaltung, wie sie von zahlreichen Gemeindemitgliedern schon lange gefordert worden war. Sie etablierte aber zugleich einen weitreichenden Einfluss kommunaler und staatlicher Stellen. Im 20. Jahrhundert wurde die Gemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannt. In der HIG war die Finanzlage, vor allem nach dem Ersten Weltkrieg, sehr schwierig. Der Haushalt wurde in erster Linie durch die hohen Fürsorgekosten belastet. Für größere Bau- und Renovierungsvorhaben wurden mit staatlicher Genehmigung Hypotheken aufgenommen. Zu Beginn der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts war die Gemeinde schließlich auf die Hilfe der Hamburger Gemeinde angewiesen. Hintergrund für diese Entwicklung war der hohe Anteil an ostjüdischen Mitgliedern, deren Unterstützung zunächst vor allem vom → Israelitisch-Humanitären Frauenverein zu Altona [37] organisiert wurde. In Verhandlungen mit Gemeinde und Staat konnte der Frauenverein eine Aufteilung der erforderlichen Sozialkosten erreichen. Zudem existierten eigene kostenintensive Gemeindeeinrichtungen, wie z. B. die jüdische Schule.
[38]Aufklärung und Emanzipation hatten bereits im 19. Jahrhundert zu einer Lockerung der Bindung an die Gemeinde als Pflichtverband geführt. Jüdische Neuzuwanderer ließen sich oft nieder, ohne die Mitgliedschaft zu erhalten. Zugleich genoss die HIG den Ruf einer zutiefst orthodoxen Gemeinde, denn Liberalisierung und Reformbewegung fanden in Altona mehrheitlich keine Anhänger. In der Amtszeit des Oberrabbiners → Maier Lerner [39] (1894-1925) wurde diese Tradition mit der Ablehnung des Frauenwahlrechts und dem Verbot der Aschenurnenbeisetzung fortgesetzt. Sein Nachfolger, Oberrabbiner → Joseph Carlebach [40], unterhielt zwar ein orthodoxes Lehrhaus, vertrat aber in zahlreichen Bereichen weniger strenge Positionen. Zugleich war es z. B. 1921 nur noch selten möglich, einen Minjan zum Frühgebet zu erreichen, d. h., 10 männliche Gemeindemitglieder zu versammeln. 1925 stellten die Altonaer Juden 1,3 Prozent der Gesamtbevölkerung, 1933 verzeichnete die amtliche Statistik 0,83 Prozent »Glaubensjuden«. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten sahen sich viele Altonaer Juden gezwungen auszuwandern. 1937 wurde Theodor Weisz zum Altonaer Oberrabbiner gewählt. Zahlreiche Altonaer Juden (aus Hamburg und Altona waren es insgesamt 700) wurden 1938 in der so bezeichneten Polenaktion verhaftet und abgeschoben. Während der → Novemberpogrome [11] wurde die Große Synagoge in der Papagoyenstraße (96) geschändet; sie wurde 1943 in einem Bombenangriff zerstört. Nach dem Pogrom wurde der Altonaer Kultusverband zwangsweise aufgelöst und die Verwaltung auf Anweisung der NS-Aufsichtsbehörde von der Hamburger Gemeinde, dem → Jüdischen Religionsverband Hamburg [17], übernommen. Nach dem Verbot der Auswanderung 1941 (→ Emigration [13]) wurden die verbliebenen Altonaer Juden mehrheitlich in die Vernichtungslager deportiert (→ Deportation [41]) und dort ermordet.
Architekt, geb. 9.5.1890 Lemgo, gest. 18.3.1985 Los Angeles
H. gehörte in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu den führenden Vertretern des Neuen Bauens in Hamburg. Nach seiner Schulzeit in der Hansestadt studierte H. Architektur in Hannover, München und Dresden, wo er 1913 sein Diplom erwarb. Seit 1919 wurde H. in verschiedenen Hamburger Architektenbüros tätig. Sein Sieg im Wettbewerb für die Krieger-Ehrenanlage auf dem Jüdischen → Friedhof [15] in Ohlsdorf führte dann 1921 gemeinsam mit seinem Studienfreund → Fritz Block [42] zur Gründung eines eigenen Architektenbüros, das in den folgenden Jahren eine vielfältige und dem modernen Baustil verpflichtete Tätigkeit entfaltete. H. war mit der Violinistin Hedwig Behrens (1892-1992) verheiratet und kulturell vielseitig interessiert; eine jüdische Identität bestand jedoch lediglich in familiengeschichtlicher Hinsicht. Als die 1933 einsetzenden Repressalien gegen Juden in Deutschland schließlich lebensbedrohlich wurden, emigrierte der Architekt mit seiner Frau und seiner 1928 geborenen Tochter Annette im November 1938 nach Los Angeles. Dort fand er zunächst Anstellungen als set designer bei der Filmindustrie in Hollywood. Nachdem H. 1943 amerikanischer Staatsbürger geworden war und 1946 die kalifornische Architektenlizenz erworben hatte, arbeitete er bis 1972 als Chefzeichner bei verschiedenen Architektenbüros in Los Angeles. Daneben setzte er im Exil seine bereits in Hamburg begonnenen genealogischen Studien fort. Die Hansestadt sah er 1961 noch einmal kurz bei einer Europareise wieder. Seine Erinnerungen an Hamburgs Architektur in den 20er Jahren, die H. 1980 im Alter von 90 Jahren niedergeschrieben hat, enden mit dem Satz: »Die zwanzig Jahre im Baufach in Hamburg waren für mich die lebendigste, schöpferischste, an Erfahrungen reichste Zeit meines Lebens.«
Rabbiner, geb. 18.12.1892 Krotoschin (Posen), gest. 2.11.1975 London
H. wuchs in Königshütte (Oberschlesien) auf. 1914 nahm er sein Studium am Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau auf, das er aber schon kurze Zeit später unterbrach, um als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teilzunehmen. Nach Kriegsende setzte er seine Ausbildung fort und erhielt 1923 die Ordination als Rabbiner. Bereits 1921 war er von der Universität Erlangen promoviert worden. Von 1923 bis 1939 amtierte er als Rabbiner an der → Neuen Dammtor Synagoge [43] (47) in Hamburg, die einen gemäßigt konservativen Mittelweg zwischen dem liberalen → Tempelverband [2] und dem orthodoxen → Synagogenverband [44]beschritt. H. engagierte sich vor allem in der Jugendarbeit sowie in der seelsorgerischen Betreuung jüdischer Häftlinge, seit 1934 unterrichtete er zudem biblische Theologie, jüdische Geschichte und Religionsphilosophie am Hamburger Jüdischen Lehrhaus (→ Franz-Rosenzweig-Gedächtnisstiftung [45]). Nach der Reichspogromnacht im November 1938 (→ Novemberpogrom [11]) von der Gestapo verhaftet und in das KZ Sachsenhausen verschleppt, konnte er nach seiner Freilassung gemeinsam mit seiner Ehefrau nach England emigrieren, wo er in Surrey und London Stellungen als Rabbiner und Schulleiter bekleidete. H., der bereits kurz nach Kriegsende in die Britische Besatzungszone zurückkehrte, um sich als Rabbiner am Wiederaufbau jüdisch-religiösen Lebens zu beteiligen, kam 1951 erneut in die Bundesrepublik, wo er sich – zunächst als Oberrabbiner für Nordwestdeutschland und später als Landesrabbiner für Nordrhein-Westfalen – auch an der Gründung der Rabbinerkonferenz beteiligte. Nach seiner Pensionierung 1958 übersiedelte H. wiederum nach England, um dort seine letzten Lebensjahre in Hendon (Middlesex) zu verbringen.
Regisseurin und Schauspielerin, geb. 15.6.1889 Berlin, gest. 26.9.1967 Lütjensee bei Hamburg
Nach ihrer Ausbildung zur Schauspielerin bei Max Reinhardt debütierte H. an verschiedenen Berliner Bühnen. Hier lernte sie ihren späteren Mann, den Regisseur Erich Ziegel, kennen, mit dem sie eine fast fünfzigjährige, glückliche Ehe verbinden sollte. Sie schlug reizvolle Filmangebote aus und folgte ihrem Mann nach Hamburg, wo sie sich 1916 am Deutschen Schauspielhaus dem Publikum vorstellte. Als Erich Ziegel dort ebenfalls ein Engagement annahm, versuchte das Paar vergeblich, den Spielplan mit moderner Dramatik aufzufrischen. Ende 1917 verließen H. und Ziegel das Haus, um eine eigene Bühne ins Leben zu rufen. Mit zeitgenössischen Autoren, vielfältigen Regiehandschriften und unbekannten Schauspieltalenten sollte den katastrophalen Folgen des Krieges begegnet und der jungen Generation eine Zukunftsperspektive aufgezeigt werden. Ihr Theater, die Hamburger Kammerspiele am Besenbinderhof, eröffneten 1918 mit einer Frank-Wedekind-Woche und entwickelten sich bald zu einem Avantgardetheater. Zum Ensemble zählten neben H. u. a. Gustaf Gründgens, Werner Hinz, Paul Kemp und Fritz Kortner. Als ihr Mann 1926 zum Leiter des Schauspielhauses ernannt wurde, übernahm H. die Direktion der Kammerspiele und begann, regelmäßig zu inszenieren. 1928 musste die Bühne dem Neubau des Gewerkschaftshauses weichen; man zog zunächst in das Kleine Lustspielhaus an den Großen Bleichen und 1932 in das Thalia Theater. Das Auftrittsverbot für H. aufgrund ihrer jüdischen Herkunft erzwang 1934 die → Emigration [13] nach Wien. Gründgens holte Ziegel nach Berlin ans Staatliche Schauspielhaus, und H. folgte ihrem Mann 1938. Erst ab 1945 konnte sie wieder als Schauspielerin arbeiten, u. a. in der Rolle der Mutter Wolffen in Gerhart Hauptmanns Biberpelz und als Regisseurin an Friedrich Schütters Jungem Theater.
Verweise:
[1] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/riesser-gabriel
[2] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/tempel-neuer-israelitischer-nit
[3] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/ausschreitungen-antij%C3%BCdische
[4] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/deutsch-israelitische-gemeinde-dig
[5] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/vereinswesen
[6] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/emanzipation
[7] https://dasjuedischehamburg.de/bilder/hachschara-schlosserwerkstatt
[8] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/zionismus
[9] https://dasjuedischehamburg.de/../../inhalt/deutsch-israelitische-gemeinde-dig
[10] https://dasjuedischehamburg.de/node/483
[11] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/novemberpogrom
[12] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/antisemitismus
[13] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/emigration
[14] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/jeschiwa
[15] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/friedh%C3%B6fe
[16] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/wandsbek-j%C3%BCdische-gemeinde
[17] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/j%C3%BCdischer-religionsverband-hamburg
[18] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/israelitisches-krankenhaus
[19] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/plaut-max
[20] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/corten-martin-heinrich
[21] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/mischehen-%C2%BBmischlinge%C2%AB
[22] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/%C2%BBjudenh%C3%A4user%C2%AB
[23] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/j%C3%BCdische-gemeinde-1945-1989
[24] https://dasjuedischehamburg.de/bilder/henle-paul
[25] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/henle-moritz
[26] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/j%C3%BCdischer-kulturbund-hamburg
[27] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/israelitische-freischule
[28] https://dasjuedischehamburg.de/bilder/hirsch-markus-mordechai-amram
[29] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/rabbinat
[30] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/bornplatzsynagoge-50
[31] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/privilegien-altona
[32] https://dasjuedischehamburg.de/node/479
[33] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/gerichtsbarkeit-j%C3%BCdische
[34] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/dreigemeinde-ahw-ahu
[35] https://dasjuedischehamburg.de/node/480
[36] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/%C2%BBostjuden%C2%AB
[37] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/israelitisch-humanit%C3%A4rer-frauenverein
[38] https://dasjuedischehamburg.de/node/481
[39] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/lerner-maier
[40] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/carlebach-joseph-hirsch-zwi
[41] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/deportationen
[42] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/block-fritz
[43] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/neue-dammtor-synagoge-47
[44] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/synagogenverband-deutsch-israelitischer
[45] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/franz-rosenzweig-ged%C3%A4chtnisstiftung