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O wie Ophir

Ophir, Baruch Zwi

Historiker, geb. 27.10.1910 Hamburg, gest. 5.4.2004 Jerusalem

Der aus Hamburg vertriebene Historiker hat vielfältige Anregungen für die Geschichte der Juden in Hamburg gegeben. Geboren als Benno Offenburg, Sohn des in den Gremien der → Deutsch-Israelitischen Gemeinde [1] engagierten Nathan Hirsch Offenburg, durchlief O. eine klassische Schul- und Universitätsausbildung: 1929 das Abitur am Heinrich-Hertz-Realgymnasium, dann ein Studium der Geschichte, Philosophie und Semitistik in Berlin, Jerusalem und Hamburg. Im Frühjahr 1933 legte er seine historische Dissertation an der Universität Hamburg vor, doch fand seine akademische Prüfung schon unter unwürdigen Zuständen statt. O. emigrierte 1933 zunächst nach Italien, wo er als Mitglied der Jugendbewegung Misrachi eine landwirtschaftliche Ausbildungsstätte leitete. Zwei Jahre später ging er als Landarbeiter in einen Kibbuz nach Palästina, wo er seinen neuen Namen annahm. In den folgenden Jahren war O. als Lehrer tätig, u.a. als Leiter eines landwirtschaftlichen Gymnasiums. Sein Vater und seine Stiefmutter starben in Theresienstadt bzw. Auschwitz. All diese Erfahrungen haben die historische Arbeit O.s tief geprägt. Er stellte eine Geschichte der jüdischen Gemeinden in Bayern zusammen, regte das Hamburger Gedenkbuch für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung an und erarbeitete wichtige Bausteine für eine jüdische Geschichte Hamburgs. In den siebziger Jahren arbeitete O. an der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Die ständige Ausstellung im Museum für Hamburgische Geschichte über Juden in Hamburg geht auf seine Initiative zurück. Im November 1991 erhielt O. die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Geschichtswissenschaft an der Hamburger Universität, nicht nur um das Werk eines Historikers zu würdigen, sondern auch als Entschuldigung für das Verhalten der Universität im Jahre 1933.

Kirsten Heinsohn

Ostjuden

Verfolgung einerseits, ökonomische Verelendung andererseits bildeten den Hintergrund für die → Auswanderungswelle [2], die zwischen 1880 und dem Ersten Weltkrieg etwa drei Millionen Juden aus Osteuropa erfasste und vor allem nach Amerika führte.

Aus dem zaristischen Russland oder Österreich-Ungarn stammend, durchquerten die meisten von ihnen das Deutsche Reich, um sich im Bremer oder Hamburger Hafen nach Übersee einzuschiffen. Allein über Hamburg wanderten jährlich bis zu 109.000 Juden aus, um deren Betreuung sich der 1884 von Daniel Wormser gegründete Israelitische Unterstützungsverein für Obdachlose große Verdienste erwarb. Bildete Hamburg für Hunderttausende osteuropäischer Juden eine Transitstation, so sorgten rigide Zuzugsbeschränkungen und Ausweisungsmaßnahmen dafür, dass sich diese weder in der Kaiserzeit noch in der Weimarer Zeit in größerer Zahl dauerhaft in der Hansestadt niederlassen konnten. 1925 hatten in Hamburg gerade 14 Prozent der Juden einen ausländischen, überwiegend osteuropäischen Hintergrund; im benachbarten – bis 1937 preußischen – Altona lag deren Anteil hingegen bei fast 47 Prozent. Eine Minderheit der ostjüdischen Einwohner Altonas lebte dort bereits seit der Kaiserzeit und gehörte der Mittelschicht an; die Mehrheit war während des Ersten Weltkrieges oder in der Nachkriegszeit ansässig geworden. Weitgehend mittellos, bedurften viele der Neuzuwanderer der Unterstützung; dies war eine Aufgabe, welche die durch Krieg und Inflation ohnehin sehr geschwächte Altonaer jüdische Gemeinde allein nicht bewältigen konnte, so dass es auf dem Gebiet der Wohlfahrt zu einer Zusammenarbeit mit der finanzkräftigeren Hamburger Gemeinde kam.

Die ausländischen Juden waren in den jüdischen Gemeinden von Altona und Hamburg mit den inländischen Juden rechtlich gleichgestellt. In gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht bestanden jedoch große Reserven zwischen beiden Gruppen. Die Vorbehalte der Alteingesessenen gegenüber den »Ostjuden« sowie deren Wunsch, die jüdische Religion unter ihresgleichen in den mitgebrachten Formen zu praktizieren, führten zur Entstehung separater ostjüdischer → Vereine [3] und Betstuben. In Hamburg bildete sich der Verein Adas Jeschorim, der in der rabbinischen Lehranstalt → Jeschiwa [4], Bieberstraße (61), Gottesdienste abhielt, ehe er 1929 unter Mithilfe der Gemeinde an der Kielortallee seine eigene → Synagoge [5] (56) einweihen konnte. In Altona gab es in der Adolphstraße (heute: Bernstorffstraße) (98) und in der Wohlersallee (99) ostjüdische Bethäuser; sie wurden von der Vereinigung Adas Jisroel bzw. von dem Verein Ahavat Thora unterhalten. Neben diesen religiösen Einrichtungen bestand die Ostjüdische Vereinigung Groß-Hamburg (ab 1936: Verband Polnischer Juden Groß-Hamburg) als Selbsthilfeorganisation. Nach der reichsweiten Zwangsabschiebung der polnischen bzw. ehemals polnischen Juden nach Polen Ende Oktober 1938 (→ Deportation [6]), von der in Groß-Hamburg etwa 1000 Personen betroffen waren, standen die ostjüdischen Einrichtungen verwaist da. Der Verband Polnischer Juden wurde im Mai 1940 aus dem Vereinsregister gelöscht.

Bettina Goldberg

Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Beim Schlump 83, 20144 Hamburg
Mehr Informationen: www.igdj-hh.de


Quellen-URL (abgerufen am 09.05.2025 - 07:21): https://dasjuedischehamburg.de/node/195

Verweise:
[1] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/deutsch-israelitische-gemeinde-dig
[2] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/auswanderung
[3] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/vereinswesen
[4] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/jeschiwa
[5] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/synagogen
[6] http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/deportationen