Hagen, Willi
(auch: Leo Raphaeli), Schauspieler, Kabarettist und Textdichter, geb. 15.11.1878 Erfurt, gest. 4.5.1942 Lodz
In Hamburg war H. erstmals 1903 als Jean in Strindbergs Fräulein Julie zu sehen. Seit 1906 trat er in der Hansestadt regelmäßig als Kabarettist auf. 1913 übernahm er die Leitung des Kleinen Theaters, Große Bleichen, heute Sitz des Ohnsorg-Theaters. Claire Waldoff war hier eine seiner berühmten Partnerinnen. In den zwanziger Jahren schrieb H. Texte für Revuen der großen Hamburger Theater. Von 1929 an gehörte er zudem zum Mitarbeiterkreis der Nordischen Rundfunk AG. Seine fast wöchentlichen Programme zeichneten sich durch Esprit und Humor aus; zahlreiche Hörerbriefe und liebevolle Karikaturen seiner Kollegen sind ein beredtes Zeugnis seiner großen Popularität. Im Mai 1934 eröffnete H. im Curiohaus sein Kabarett »Die Rosenrote Brille«, das mit einem beachtlichen Ensemble, bestehend aus bekannten jüdischen Schauspielern und Musikern, antrat. Trotz der strengen Zensur und der kritischen Kommentare der jüdischen Presse konnte sich das Programm zunächst bei ausverkauften Häusern erfolgreich behaupten. Doch Ende 1934 kam das Aus, als H. seinem Publikum einen den Zensoren vorenthaltenen, selbstverfassten »Offenen Brief eines deutschen Juden« vortrug. Das Kabarett wurde umgehend geschlossen und H. mit einem Auftrittsverbot belegt. Erst 1936 übernahm er die Leitung der Kleinkunst im Hamburger Kulturbund, durfte selbst aber nur selten auftreten. Schonungslose bis tollkühne Formulierungen in seinen Programmen, improvisierte ironische Seitenhiebe auf das NS-Regime und eine wenn auch nie veröffentlichte Persiflage auf die Bücherverbrennung zogen ihm endgültig den Hass der Aufsichtsbehörden zu. Im Oktober 1941 wurde H. mit dem ersten Deportationstransport von Hamburg nach Lodz/Litzmannstadt verschleppt, wo er wenige Monate später (unter ungeklärten Umständen) umkam.