Bing, Gertrud

(auch: Gertrude), Philosophin und Institutsleiterin, geb. 7.6.1892 Hamburg, gest. 3.7.1964 London

B., Tochter eines jüdischen Kaufmanns, schloss 1912 das Lehrerinnenexamen am Kloster St. Johannis ab und war bis 1915 Lehrerin an der Vorschule in Alt-Rahlstedt. Nach dem Abitur am Heinrich-Hertz-Realgymnasium 1916 studierte sie Philosophie, Psychologie und Germanistik in München. Im Ersten Weltkrieg war sie Vertretungslehrerin an der Knabenschule Eimsbüttel. Danach studierte sie an der Universität Hamburg, wo sie 1921 bei Ernst Cassirer promoviert wurde, der sie an die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg unter dem damaligen Leiter Fritz Saxl vermittelte. Als Aby Warburg nach längerer Krankheit an die Bibliothek zurückkehrte, wurde sie dessen persönliche Assistentin und Sekretärin, 1927 offiziell Bibliothekarin. 1927/28 unternahm sie eine längere Italienreise mit Warburg, in deren Verlauf sie tiefen Einblick in dessen Persönlichkeit und Forschungen gewann. Nach Warburgs Tod 1929 edierte B. die Ausgabe seiner Gesammelten Schriften, die 1932 erschienen. Als stellvertretende Direktorin war sie 1933 daran beteiligt, die Bibliothek vor dem Zugriff der Nationalsozialisten nach London zu retten, und richtete sie dort neu als »The Warburg Institute« ein. B. half zudem vielen Emigranten. Nach Saxls Tod 1948 und nachdem dessen Nachfolger Henri Frankfort verstarb, wurde sie 1955 Direktorin des Instituts und erhielt den Professorentitel. 1958 reiste sie erstmals wieder nach Hamburg und sprach anlässlich der Wiederaufstellung der Bronze-Büste Warburgs in der Kunsthalle. 1959 pensioniert, widmete sie sich verstärkt ihrer geplanten Warburg-Biographie, konnte sie jedoch wegen schwerer Krankheit nicht mehr beenden.

Hans-Michael Schäfer