Wohlwill, Emil

Chemiker und Wissenschaftshistoriker, geb. 24.11.1835 Hamburg, gest. 2.2.1912 Hamburg

W., Sohn des jüdischen Lehrers Immanuel Wohlwill, wuchs in Seesen auf, bis er 1851 nach Hamburg zurückkehrte, wo er das Johanneum und das Akademische Gymnasium besuchte. 1855 bis 1860 studierte W. Chemie an den Universitäten Heidelberg, Berlin und Göttingen. Nach der Promotion unterrichtete er Physik in Hamburg und arbeitete als freiberuflicher Handelschemiker. Schließlich fand er eine Anstellung bei der Norddeutschen Affinerie, für die er das elektrolytische Verfahren zur Raffination von Buntmetallen und Gold entwickelte – die so genannte »Wohlwill-Goldelektrolyse«. W.s Leidenschaft galt der Wissenschaftsgeschichte, insbesondere der Physikgeschichte. Hier fand er eindrucksvolle Zeugnisse für den Kampf zwischen dem Alten und dem Modernen. Jahrzehntelang beschäftige er sich mit Galilei und der Entstehung eines neuen wissenschaftlichen Weltbildes im 17. Jahrhundert. Zu diesem Zweck lernte er Italienisch und studierte in Italien zahlreiche Quellen, u. a. auch die Akten des Galilei-Prozesses in den Vatikanischen Archiven. 1909 publizierte er den ersten Band seines Werks Galilei und sein Kampf für die copernicanische Lehre, der zweite erschien 1926 aus dem Nachlass. W. war ein liberaler Bürger Hamburgs, der sich auf eine sehr unabhängige Weise an der Auseinandersetzung um die Emanzipation der Juden beteiligte. Als er 1863 das Bürgerrecht beantragte, verweigerte er die Angabe seines Bekenntnisses, da er davon ausging, dass Religion Privatsache sei und nichts mit dem staatsrechtlichen Zustand eines Bürgers zu tun haben dürfe. Dieser Fall beschäftigte mehrere Gremien. Das Bürgerrecht wurde W. zunächst verweigert, bis 1864 der Austritt aus der Kultusgemeinde gesetzlich möglich wurde.

Helga Krohn