Notgemeinschaft der durch die Nürnberger Gesetze Betroffenen

Als die mit Jüdinnen verheirateten nicht-jüdischen Ehemänner und die »Mischlinge ersten Grades« ( Mischehen) im Oktober 1944 zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden, entwickelten sie dort erstmals ein Gruppengefühl, tauschten Informationen aus und entwarfen Pläne für die Gründung einer Interessenorganisation in der Zukunft.

Einer der Initiatoren war Konrad Hoffmann, ein ehemaliger kaufmännischer Angestellter, der als Bote Interessierte in den verschiedenen Arbeitskolonnen ansprechen, Namenlisten aufstellen und Dokumente sammeln konnte. So vorbereitet, verkündete die N. bereits am 19. Mai 1945 ihre Gründung und eröffnete am 29. Mai als eine der ersten Verfolgtenorganisationen eine Geschäftsstelle. Sie fühlte sich zuständig für »Angehörige des gleichen Erlebniskreises«, nämlich »Juden, die Sternträger waren, Juden aus privilegierten Mischehen, Arier aus Mischehen und Mischlinge ersten Grades«. In der N. engagierten sich u. a. Konrad Hoffmann, Walter Koppel, Erik Blumenfeld, Gerhard Bucerius und Georg Claussen. Die Notgemeinschaft gab insgesamt ca. 8.000 Verfolgtenausweise aus, verteilte Lebensmittel, bemühte sich um Brennmaterial und Bezugsscheine, regelte Wohnungs- und Berufsangelegenheiten und organisierte die Rückführung von ca. 600 in Theresienstadt Inhaftierten nach Hamburg. Jugendliche »Mischlinge« konnten in Förderkursen Schulabschlüsse nachholen, die ihnen während der NS-Zeit verwehrt worden waren. Später unterstützte die N. ehemals Verfolgte durch individuelle Rechtsberatung und setzte sich für die Berücksichtigung von deren Interessen in der Wiedergutmachungsgesetzgebung ein. So erreichte die N., dass die Zwangsarbeit der in Mischehe lebenden Juden als haftgleich anerkannt wurde, und brachte das »Gesetz zur Anerkennung freier Ehen für rassisch und politisch Verfolgte« ein, das eine Rückdatierung von Ehen ermöglichte, die während der NS-Zeit nicht geschlossen werden durften. Scheidungen konnten dadurch annulliert werden. An der Einrichtung eines Hilfsfonds auf Bundesebene für nichtjüdische »rassisch« Verfolgte hatte die N. maßgeblichen Anteil. Während ähnliche Organisationen in anderen Bundesländern inzwischen ihre Arbeit eingestellt haben, unterhält die N. weiterhin eine Beratungsstelle und arbeitet in der Hamburger Stiftung Hilfe für NS-Verfolgte mit.

Beate Meyer