Tuch, Gustav

Bankier und Gemeindefunktionär, geb. 21.12. 1834 Hamburg, gest. 2.2.1909 Hamburg

T., einziges Kind eines aus Polen zugewanderten kleingewerblichen Tabak- und Zigarrenfabrikanten, besuchte die Israelitische Freischule und trat mit dreizehn Jahren eine Kaufmannslehre an. Als er 1864 das Hamburger Bürgerrecht erwarb, war er Angestellter der Commerz- und Diskontobank, 1871 übernahm er die Leitung der Anglo-Deutschen Bank. Bis 1879 betreute er die wirtschaftspolitische Redaktion der Hamburger Nachrichten, trat als Autor zahlreicher Publikationen insbesondere zur Frage des Zollvereinanschlusses der Hansestadt an die Öffentlichkeit. Für seine Verdienste um die Zolleinheit erhielt er 1899 den preußischen Kronenorden 4. Klasse. In Reaktion auf den Antisemitismus begann T., sein gesellschaftliches Engagement auf jüdische Belange auszudehnen. 1894 ließ er sich in das Repräsentanten-Kollegium der Deutsch-Israelitischen Gemeinde wählen. In der Henry Jones-Loge ( Logenwesen) bekleidete er zwölfmal das Amt des Stuhlmeisters. Unter seiner Ägide entfaltete die Loge ein breit gefächertes Netzwerk neuer jüdischer Vereinigungen ( Vereinswesen). Ein großes Anliegen war ihm die »innere Kolonisation«, eine vom Sozialdarwinismus geprägte Vorstellung innerjüdischer beruflicher Umerziehung zu landwirtschaftlicher Tätigkeit ( Hachschara). T. maß dem politischen Zionismus zwar positive Bedeutung zu, schloss sich diesem aber nicht an. Stattdessen initiierte er ein Projekt, das im Verein zur Förderung der Bodenkultur unter den Juden Deutschlands 1897/98 einen organisatorischen Rahmen fand. T. gehörte zu denjenigen, die die Durchführung eines Zionistenkongresses in Hamburg befürworteten. Dem Ereignis selbst konnte er nicht mehr beiwohnen, da er unerwartet bei einer Blinddarmoperation verstarb.

Erika Hirsch