Jüdischer Kulturbund Hamburg
Als jüdische Künstler 1933 aus dem Kulturbetrieb in Deutschland verbannt wurden, schlossen sich viele dem J. an, dem einzigen Forum, das – unter strenger Kontrolle der NS-Behörden – einem ausschließlich jüdischen Publikum ein künstlerisch-wissenschaftliches Programm bot. Das Regime förderte die Gründung des Bundes, um die kulturelle Ghettoisierung der Juden zu beschleunigen und um gegenüber dem Ausland Toleranz im Umgang mit der jüdischen Bevölkerung vorzutäuschen.
Im Reichsverband der Jüdischen Kulturbünde mit Hauptsitz in Berlin waren 112 Institute zusammengeschlossen; in den ersten Jahren gehörten ihm 2.500 aktive Künstler und weitere 70.000 Mitglieder an. Als wichtigste Ziele galten die Schaffung einer Existenzgrundlage für arbeitslose Künstler, der Aufbau eines eigenen Kulturbetriebs sowie die Selbstbehauptung angesichts einer zunehmenden Isolation. Bereits im Mai 1933 fand sich in Hamburg unter der Leitung des bisherigen Intendanten des Stadttheaters, → Leopold Sachse, eine »Gemeinschaft Jüdischer Künstler« zusammen, um die Not entlassener Kollegen zu lindern. Im Januar 1934 entstand daraus die »Jüdische Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft«, die wiederum im August 1935 in »Jüdischer Kulturbund Hamburg« umbenannt wurde.
Eine Theaterkonzession, die Übernahme des Kulturbundes Lübeck und die enge Kooperation mit den Zweigstellen Breslau und Dresden bildeten die wesentlichen Voraussetzungen für das große Engagement und die künstlerische Qualität des Hamburger Bundes in den Bereichen Schauspiel, Tanz, konzertante Musik und Kleinkunst. Hamburg stellte neben Berlin und Köln eine der drei Theatertruppen im Reichsverband und hatte zugleich die Funktion eines Tournee-Ensembles. Die Leitung setzte sich aus einem Kuratorium (Vorsitz: → Rudolf Samson), einem Vorstand (Ferdinand Gowa, Martin Goldschmidt) und einem künstlerischen Beirat (Hans Buxbaum, → Robert Müller-Hartmann, → Kurt Löwengard) zusammen. Für die Regie zeichnete zumeist Hans Buxbaum verantwortlich, die Bühnenbilder schufen u. a. Anny Gowa, Heinz Condell und Alfred Müller. Käte Friedheim entwarf die Kostüme, Lutz Proskauer und Kurt Behrens hatten die musikalische Leitung. Das Ensemble, bestehend aus Hamburger und auswärtigen Schauspielern, darunter Julius Kobler, Ruth Festersen, Anneliese Töpfer und Fritz Melchior, fluktuierte stark; 1938 waren noch 13 Künstler im festen Engagement. Die Veranstaltungen fanden zunächst im Conventgarten, Kaiser-Wilhelm-Straße statt, gelegentlich auch im Curiohaus und im → Tempel in der Oberstraße (53). Im Januar 1938 bezog der J. das neu eröffnete Jüdische Gemeinschaftshaus in der Hartungstraße (92), also jenes Gebäude, in dem sich seit 1945 die Hamburger Kammerspiele befinden.
Im Januar 1939 wurde der Hamburger Kulturbund wie alle anderen Bünde in Deutschland geschlossen. Bis zu seiner endgültigen Auflösung im September 1941 unterstand er der Berliner Zentrale. In diesen letzten Jahren wurden überwiegend Filme gezeigt, die auch in den öffentlichen Kinos zu sehen waren, zu denen die jüdische Bevölkerung keinen Zutritt mehr erhielt. Am 16. September 1941 fand die letzte Kinovorführung statt, bei der der Operettenfilm Gasparone zu sehen war.