Stiftungen

Die ersten jüdischen S. datieren auf den Beginn des 18. Jahrhunderts. Sie waren nach den traditionellen, religiös begründeten Prinzipien der jüdischen Wohltätigkeit ( Sozial- und Wohlfahrtswesen) ausgerichtet und sorgten mit Geld und Naturalien für arme Gemeindemitglieder, Familienangehörige, Bräute, Kranke und dienten rituellen Zwecken; häufig gab es auch mehrere Aufgabenstellungen.

So stiftete das Jacob Lazarus Legat von 1716 Brautgeld für arme Verwandte und das Lipmann Osterode Legat von 1720 zweimal jährlich Gelder für arme Verwandte und Bräute. Unter dem Einfluss der Aufklärung und der Reformbewegung setzten sich dann auch säkulare Zielsetzungen durch, insbesondere im Bildungsbereich und in der Berufsausbildung, wie sich an den zahlreichen Zustiftungen für die Israelitische Freischule (41) von 1815 und an den berufspolitischen Zielsetzungen der Hermann Heineschen Stiftung von 1837 zeigte. Das jüdische Stiftungswesen in Hamburg entfaltete seit der bürgerlichen Gleichstellung von 1849 eine bemerkenswerte Breite, die von der rituellen Grabstellenpflege bis zur paritätisch verteilten Mietunterstützung reichte. Insgesamt dominierten wohltätige Bestimmungen der S., daneben gab es auch herausragendes jüdisches Engagement für Wissenschaft und Kultur. Jüdische Mäzene, wie Salomon Heine, Marcus Nordheim, Alfred Beit und Mitglieder der Familie Warburg, belebten alte Hamburger Stiftungstraditionen, wie die Wohnstiftungen, neu, begründeten auch konfessionsübergreifende, paritätische S. und zeigten sich allen gesellschaftlichen Belangen gegenüber aufgeschlossen. Im 18. Jahrhundert wurden 56 S. von Juden gegründet, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereits rund 80 und in der zweiten Hälfte noch einmal 130. Von 1900 bis zur Zerschlagung des jüdischen Stiftungswesens unter nationalsozialistischer Gewaltherrschaft Ende 1942 wurden dann sogar noch einmal 170 S. ins Leben gerufen. Für den gesamten Zeitraum sind 438 jüdische S. nachgewiesen. Dieser Boom war eingebunden in die ökonomischen und gesellschaftlichen Transformationen jüdischen Lebens im voranschreitenden Emanzipationsprozess. Die traditionell-religiösen Fundamente jüdischen Stiftungsengagements wurden zunehmend als Instrumente bürgerlichen Handelns begriffen und stellten die Integration der Juden in die bürgerliche Gesellschaft eindrucksvoll unter Beweis.

Angela Schwarz