Sportvereine

Die Entwicklung einer eigenen Sportbewegung der deutschen Juden war zunächst eng mit dem politischen Zionismus verbunden und stand daher anfangs bewusst im Gegensatz zu assimilatorischen Vorstellungen. In Hamburg lassen sich erste Organisationsformen zu Beginn des 20. Jahrhunderts feststellen.

Im Jahr 1902 gründete sich die Jüdische Turnerschaft von 1902, die als Vorläufer des 1910 gegründeten Jüdischen Turn- und Sportvereins Bar Kochba gelten kann. Die sportpolitische Zielsetzung war auch hier betont zionistisch. Man sah eine eigene Sportbewegung innerjüdisch als ein Mittel zur Gewinnung jüdischer Identität und in der Außendarstellung als Korrektiv gegenüber dem antisemitischen Vorwurf des jüdischen Intellektualismus, dem bewusst sportliche Körperlichkeit entgegenzusetzen sei. Dem Bar Kochba gelang es rasch neben dem herkömmlichen Turnbetrieb Jahn’scher Prägung Abteilungen für Leichtathletik, Rudern, Fechten, Fußball und Hockey einzurichten. Der Verein wurde Teil des 1921 gegründeten Turn- und Sportverbandes Makkabi, der sich ebenfalls entschieden zum politischen Zionismus bekannte. Zu Beginn der Weimarer Republik wuchs die Bedeutung der jüdischen Sportbewegung auch in Hamburg, gleichzeitig trat vor allem unter den sporttreibenden Jugendlichen eine Zersplitterung ein. Bereits 1925 formierte sich auf der Reichsebene im Rahmen des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten (RjF) der Sportbund Schild. Er konnte erst Anfang der dreißiger Jahre auch in Hamburg Fuß fassen. Noch 1927 kam es mit dem Hamburger jüdischen Sport- und Turnverein (Hakoah) zu einem weiteren Sportverein, der sich als Gegengründung zum Bar Kochba (Makkabi) verstand und dazu insbesondere seine politische und religiöse Neutralität betonte. Bar Kochba und Hakoah hatten zusammen wohl etwa 800 Mitglieder. Daneben gab es noch den zionistischen Jugendbund Blau-Weiss mit einer eigenen »Sportabteilung«.

Mit dem NS-Regime veränderte sich die Lage des jüdischen Sports grundlegend. Juden wurden als »Nichtarier« in Anwendung des so genannten Arierparagraphen des öffentlichen Dienstrechts aus den allgemeinen Sportverbänden im Frühsommer 1933 ausgeschlossen. Die jüdische Sportbewegung nahm daraufhin einen Aufschwung. In Hamburg eröffnete die Sportgruppe Schild im Sommer 1934 mit gemeindlicher Unterstützung in Lokstedt-Niendorf eine eigene Sportplatzanlage, nachdem Bar Kochba 1932 einen Sportplatz in Bramfeld für seinen Sportbetrieb gepachtet hatte. Während Bar Kochba (Makkabi) sich durch das NS-Regime in seiner zionistischen Grundhaltung bestärkt sah, erlebte die Sportgruppe Schild eine Phase der politisch notwendigen Neuorientierung. Hatte man hier anfangs noch gehofft, eine sportliche Ertüchtigung jenseits zionistischer Zielsetzungen werde das NS-Regime wohlwollend dulden, musste der RjF und damit auch die Sportgruppe Schild 1934 erkennen, dass man sich Illusionen hingegeben hatte. Mit fortschreitender Intensität der Diskriminierung übernahm der Sport vor allem für die jüdischen Jugendlichen zunehmend eine identitätsstiftende Funktion. Trotz des Außendrucks im NS-Staat ( Jüdisches Leben zur Zeit der Verfolgung blieb in Hamburg die Konkurrenzlage innerhalb der jüdischen Sportbewegung ungebrochen. Anfang 1935 gab es vier Sportvereine, die zionistische Jugendgruppe Blau-Weiß mit etwa 200 Mitgliedern, den ebenfalls zionistischen Bar Kochba mit etwa 450 Mitgliedern, den »neutralen« Hakoah mit etwa 200 Mitgliedern und die Sportgruppe Schild mit etwa 600 Mitgliedern. Die Gesamtzahl von etwa 1.450 Mitgliedern entsprach zu diesem Zeitpunkt einem Anteil von rund 10 Prozent der Angehörigen der Deutsch-Israelitischen Gemeinde. Der Sportverein Hakoah wurde im Februar 1935 aus dem Reichsausschuß jüdischer Sportvereine ausgeschlossen und löste sich alsbald auf. Die zionistischen Ziele der Jugendgruppe Blau-Weiß und von Bar Kochba bedingten einen laufenden Mitgliederverlust durch Emigration, zumeist im Sinne der Alija nach Palästina, der durch den Eintritt jungzionistischer Bünde nicht ausgeglichen werden konnte. Immerhin richtete die Jugendgruppe Blau-Weiß noch 1936/1937 eine eigene Sportanlage in Lokstedt ein. Hingegen wuchs die Sportgruppe Schild und konnte 1936 zeitweise eine vierstellige Mitgliederzahl erreichen. Die Jüdische Gemeinde förderte diese Entwicklung eines jüdischen Breitensports nachhaltig auch finanziell. Nach dem Novemberpogrom 1938 löste die Gestapo alle jüdischen Organisationen – auch die Sportvereine – mit Ausnahme der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland und der jüdischen Gemeinden auf.

Ina Lorenz