Tempel, Neuer Israelitischer (NIT)

Der NIT, im Dezember 1817 in Hamburg gegründet, war eine der frühesten religiösen Reforminitiativen des deutschen Judentums.

Seit 1818 veranstaltete der Verein in einem angemieteten Saal am Alten Steinweg (12) regelmäßig Gottesdienste, die in der jüdischen Tradition bislang unbekannte Elemente wie deutschsprachige Kanzelreden, Orgelspiel und Chorgesang beinhalteten. Als Prediger wurden der Oberlehrer der Israelitischen Freischule Eduard Kley sowie Gotthold Salomon berufen. Das Gebetbuch, das der NIT 1818/19 herausgab, rief Protest im gesetzestreuen Judentum hervor, das die durch Neuformulierungen, Kürzungen und Übersetzungen veränderte Liturgie als unzulässige Verstöße gegen die Tradition zu verhindern suchte. Zuspruch fand der am bürgerlichen Zeitgeschmack ausgerichtete Reformritus vor allem bei Angehörigen der akkulturierten Mittelschicht – etwa 300 Familien schlossen sich als Mitglieder an, deren finanzielle Förderung 1844 auch die Errichtung eines Gebetshauses in der Poolstraße (17) ermöglichte ( Synagogen). Einladungskarte für die Tempeleinweihung 1844Bedingt durch die von der neuen Hamburger Verfassung 1860 vorgesehene Trennung von Staat und Kirche wurde eine Neuordnung der Gemeindeverhältnisse notwendig. Unter dem Dach der Deutsch-Israelitischen Gemeinde nahm der liberale Tempel seit 1868 als Kultusverband eine nahezu gleichberechtigte Stellung neben dem Synagogenverband ein, der sich um die religiösen Bedürfnisse der orthodoxen Hamburger Juden kümmerte. Trotz seiner gefestigten Stellung im institutionellen Gefüge der Gemeinde zeigte der Tempel seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts zunehmend Krisensymptome, weil auch der modernisierte Kultus die religiöse Entfremdung vieler Mitglieder nicht aufzuhalten vermochte. Eine Renaissance erlebte der NIT vor allem nach der Einweihung seines neuen, von den Architekten Felix Ascher und Robert Friedmann gestalteten Gotteshauses in der Oberstraße (53) im Jahr 1931. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurde der Tempel zwangsweise geschlossen, doch fanden liberale Gottesdienste noch bis 1942 im ehemaligen Logensaal des B’nai B’rith-Ordens in der Hartungstraße (92) statt ( Logenwesen). Die Synagoge am Rothenbaum dient heute als Sendestudio des Norddeutschen Rundfunks.

Andreas Brämer