Marcus, Mary

(auch: Miriam, Marianne), Pädagogin und Schulleiterin, geb. 16.8.1844 Hamburg, gest. 22.4.1930 Hamburg

M. gehört zu den Hamburger Pädagoginnen, die sich um die Mädchen- und Frauenbildung besonders verdient gemacht haben. Die Tochter eines Kaufmanns wuchs nach dem frühen Tod der Mutter bei Pflegeeltern auf. Sie besuchte gemeinsam mit christlichen Schülerinnen eine private Mädchenschule und bereitete sich in Seminarkursen und autodidaktisch auf den Lehrerinnenberuf vor. Nach erster Praxiserfahrung an einer privaten höheren Mädchenschule und als Erzieherin bei einer Familie wurde sie 1868 zur Vorsteherin der Unterrichtsanstalt für arme israelitische Mädchen (42) berufen, einer 1798 aus dem Geist der Aufklärung gegründeten Stiftungsschule. Die Begegnung mit Kindern aus sozial schwachen Familien festigte in ihr die Überzeugung, dass man dieser Benachteiligung durch eine gründliche Bildung und Erziehung entgegenwirken müsse. Als weitere wichtige soziale Aufgabe erkannte sie die Einrichtung von Erholungsheimen und Ferienkolonien für die oft kränklichen, schlecht ernährten Kinder. 1884 wurde M. zur Vorsteherin der Israelitischen Töchterschule (89) ernannt, die aus der Zusammenlegung der israelitischen Mädchenschule von 1798 und der Mädchen-Armenschule (43) der Deutsch-Israelitischen Gemeinde entstanden war ( Schulwesen). Damit hatte sie als Direktorin einer großen, von 400 bis 500 Schülerinnen besuchten Schule eine einzigartige Position in Hamburg inne, da Frauen sonst höchstens kleine Privatschulen leiteten. Gegen zahlreiche Widerstände setzte sie einen anspruchsvollen Lehrplan für ihre Mädchen-Volksschule durch, um Standesunterschiede und die Bildungskluft zwischen Volksschülerinnen und »höheren Töchtern« zu überwinden. Erfolgreich erprobte sie an ihrer Schule moderne, reformpädagogische Unterrichtsmethoden. Die 1908 von ehemaligen Schülerinnen gegründete Mary-M.-Stiftung stellte sie für die Berufsausbildung bedürftiger Schulabgängerinnen zur Verfügung. 1924 trat sie in den Ruhestand. In Hamburg-Bergedorf erinnert seit 1985 die »Mary-M.-Kehre« an die Reformerin der jüdischen Mädchenbildung in Hamburg.

Ursula Randt