Rée, Anton

Politiker und Pädagoge, geb. 9.11.1815 Hamburg, gest. 13.1.1891 Hamburg

R. gehört zu den jüdischen Persönlichkeiten der Hansestadt, die weit über ihre Religionsgemeinschaft und Stadt sowie über ihre Zeit hinaus Bedeutung erlangten. Geboren als Sohn eines Hofbankiers des dänischen Königs, wurde er zunächst von einem Hauslehrer unterrichtet und erhielt dann auf dem Johanneum und dem Akademischen Gymnasium eine humanistische Ausbildung. In Kiel studierte er Philosophie und promovierte mit einer sprachwissenschaftlichen Arbeit zum Hebräischen. 1838 wurde R. Lehrer an der Israelitischen Freischule (41), 1848 übernahm er die Leitung der Schule und behielt diese bis zu seinem Tode. Er entwickelte die Anstalt zu einer Simultanschule, in der allerdings nach 1870 die christlichen Schüler die Mehrheit stellten. 1889 ließ R. den Zusatz »israelitisch« aus dem Namen der Schule streichen, er selbst war inzwischen aus der jüdischen Gemeinde ( DIG) ausgetreten, ohne aber sein Judentum zu verleugnen. Neben seiner pädagogischen Arbeit war R. zeitlebens ein politisch aktiver Vertreter des deutschen Linksliberalismus. Die rechtliche Gleichstellung der Juden war in seinen Augen nur eine Basis für die weitere Emanzipation der Juden. Er mahnte vor allem eine Änderung der kulturellen und sozialen Verhältnisse der Juden an. Insbesondere forderte er von den Juden, sich durch das Erlernen des Hochdeutschen integrationsfähig zu zeigen. 1845 gründete er gemeinsam mit dem Reformprediger Gotthold Salomon die Gesellschaft für sociale und politische Interessen der Juden, 1859 gehörte er zu den Mitbegründern des Vereins zur Förderung der Gewissensfreiheit, der sich für die Grundrechte von 1848 einsetzte. R.s schulpolitische Vorstellungen, die er bereits 1848 als Mitglied der verfassunggebenden Konstituante vertreten hatte, waren ihrer Zeit weit voraus. So forderte er eine für alle Kinder gemeinsame »allgemeine Volksschule«, die ihre Schüler ohne Ansehen von Stand und Vermögen der Eltern auszubilden hätte. In einem höheren Grad von Allgemeinbildung und gleichen Aufstiegsmöglichkeiten für alle sah er einen Beitrag zur Lösung der sozialen Frage und zur Demokratisierung der Gesellschaft. Von 1859 bis 1871 war R. Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und wirkte dort an der Verfassung von 1860 sowie an dem Unterrichtsgesetz von 1870 mit. Der hohe Bildungsanspruch der 1871 eingerichteten staatlichen Hamburger Volksschule sowie die Absage an eine kirchliche Aufsicht über das Schulwesen waren nicht zuletzt seinem Einfluss zu danken. Den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn stellte sein Mandat für die Fortschrittspartei im Reichstag von 1881 bis 1884 dar.

Reiner Lehberger