Neustadt
Mit dem Bau einer modernen Stadtbefestigung in den Jahren 1616 bis 1628 entstand die Hamburger N. Das neue Befestigungssystem aus Wällen, Gräben und Bastionen umschloss halbkreisförmig die Altstadt und das Gebiet westlich von ihr.
Drei Straßenzüge mit je einem Marktplatz auf halbem Weg führten aus der Altstadt zu den zwei Toren (Millerntor, Dammtor) der N.: der Schaarsteinweg mit dem Schaarmarkt, der Alte und Neue Steinweg mit dem Großneumarkt und der Oberdamm mit der Dammtorstraße und dem Gänsemarkt. 1647 erhielt die Neustadt ein eigenes Kirchspiel, St. Michaelis, das aber erst 1677 mit politischen Rechten versehen und 1685 zu den bürgerlichen Kollegien der Stadt zugelassen wurde und damit gleichberechtigt war. Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges flüchteten zahlreiche Menschen aus dem Hamburger Umland in die geschützte Stadt und ließen sich in der N. nieder. Im Norden fanden sich die Wohnhäuser wohlhabender Bürger, im Süden, Richtung Elbufer, die Quartiere von Hafenarbeitern. Unter den Zuwanderern waren auch Juden, deren Niederlassung in der N. geduldet wurde. Der antijüdische Tumult von 1730 zeigte aber die vorhandenen sozialen Spannungen, die in diesem Fall vor allem von Seeleuten ausgingen. In dem jahrzehntelangen Streit um die Rechte der Juden in der Stadt legte der Senat 1768 und erneut 1773 einen Plan vor, nach dem den Juden Wohn- und Grundeigentumsrechte nur in fünf Straßen der Altstadt (um den Alten Wall) und in 14 Straßen der N. zugestanden werden sollten. Letztere befanden sich westlich des Großneumarkts etwa zwischen Poolstraße und Venusberg. Diese Pläne führten zwar nicht zur Einrichtung eines Ghettos, beschränkten die Juden aber auf diese Wohngebiete. Die zunehmend dichtere Wohnbebauung im Gängeviertel sowie konjunkturelle Schwankungen im 18. Jahrhundert verstärkten die sozialen Spannungen.
In der N. entstanden seit der Mitte des 17. Jahrhunderts Betsäle und → Synagogen. So besaß die Jüdische Gemeinde zwischen 1654 und 1859 eine Synagoge am Neuen Steinweg (3) und errichtete dann die neue Hauptsynagoge an den Kohlhöfen (19). Zwischen Altem Steinweg und Brunnenstraße mietete der Neue Israelitische → Tempelverein 1818 ein Haus zur Veranstaltung von Gottesdiensten an (12), 1844 weihte er einen Neubau in der Poolstraße (17) ein. 1855 wurde an der Markusstraße eine sefardische Synagoge (18) geweiht. Ein kleiner jüdischer → Friedhof wurde 1814 am Neuen Steinweg (3) angelegt. 1805 wurde in der Elbstraße die → Talmud Tora Schule (40) gegründet, 1815 die → Israelitische Freischule (41) am Zeughausmarkt. Seit 1838 ließen wohlhabende jüdische Wohltäter besonders in der N. → Wohnstifte für Bedürftige errichten. Mit der Aufhebung der Torsperre 1860 entstanden vor den ehemaligen Wällen neue Wohngebiete. Ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung zog seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts dann aus der dicht bebauten N. in die Stadtteile Rotherbaum und Harvestehude, vor allem ins → Grindelviertel.