Wohlwill, Anna
Pädagogin, geb. 20.6.1841 Seesen, gest. 30.12.1919 Hamburg
W.s Mutter, eine aus Hamburg gebürtige → Warburg, kehrte nach dem frühen Tod ihres Mannes, des Schuldirektors → Immanuel Wohlwill, gemeinsam mit ihren fünf Kindern nach Hamburg zurück, wo sie Unterstützung von der verwandten Bankiersfamilie erhielt. W. besuchte eine höhere Töchterschule und erhielt außerdem Unterricht von den Reformpädagogen → Anton Rée und Otto Jessen sowie von ihren studierenden Brüdern. Durch regelmäßige Hospitationen wuchs W. seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr in die Aufgaben einer Lehrerin für Kinder der Armen hinein. Als Armenschule und Kindergarten des Frauenvereins zur Unterstützung der Armenpflege 1866 ein eigenes Gebäude erhielten, wurde W. als Direktorin berufen. Unter ihrer langjährigen Leitung entwickelte sich die so genannte Paulsenstiftschule zu einer staatlich anerkannten höheren Mädchenschule. Nach der Trennung der Anstalt vom Frauenverein achtete W. darauf, dass die Tradition als ehemalige Armenschule erhalten blieb und die gemeinsame Erziehung von Schülerinnen aus allen sozialen Schichten sowie die finanzielle Förderung ärmerer Mädchen fortgesetzt wurde. 1906 feierte W. sowohl ihr 50-jähriges Lehrerinnenjubiläum als auch ihr 40-jähriges Dienstjubiläum als Direktorin. Zu diesem Anlass verlieh ihr der Senat als erster Frau eine goldene Denkmünze. Kurz vor Vollendung des siebzigsten Lebensjahres wurde W. 1911 pensioniert. Auch im Ruhestand blieb sie trotz zunehmender Erblindung im Schulvorstand der Paulsenstiftschule und setzte ihren Unterricht teilweise fort. Die neu konstituierte Demokratie ehrte die überkonfessionell tätige jüdische Pädagogin durch Benennung einer Straße nach ihr, die aber nach wenigen Jahren von den nationalsozialistischen Machthabern umbenannt wurde.