Zwangsarbeit in Hamburg

Bis zum Sommer 1942 waren etwa 500 männliche jüdische Häftlinge im KZ Neuengamme inhaftiert. Sie waren in Kolonnen für körperlich besonders schwere und schmutzige Arbeiten im Freien zusammengefasst, die oftmals nur den Zweck verfolgten, die Männer zu schikanieren und zu ermorden. Mindestens ein Viertel der jüdischen Häftlinge starb innerhalb kurzer Zeit.

Nachdem Himmler im Oktober 1942 bestimmt hatte, die KZ im Gebiet des Deutschen Reiches »judenfrei« zu machen, wurden die meisten in Neuengamme festgehaltenen Juden nach Auschwitz deportiert. Der gravierende Arbeitskräftemangel in der deutschen Kriegswirtschaft zwang jedoch die NS-Führung im Frühjahr 1944 dazu, diesen Beschluss zu revidieren. Alle »arbeitsfähigen Juden« sollten nun aus den Vernichtungslagern zum Einsatz bei Rüstungs- und Bauvorhaben im Reichsgebiet gebracht werden. In Hamburg waren insgesamt etwa 13.000 jüdische Gefangene, die meisten von ihnen Frauen, im KZ Neuengamme und seinen Außenlagern inhaftiert. Im Gebiet der Hansestadt gab es keine Lager für männliche jüdische Gefangene. Die Männer arbeiteten vor allem in den Außenlagern Ahlem im Continental-Werk und in Braunschweig für Büssing-Automobilwerke. In Hamburg war eine eher geringe Anzahl jüdischer Häftlinge aus Polen gemeinsam mit so genannten jüdischen »Mischlingen« auf dem HEW-Kraftwerksgelände in Neuhof im Hafen eingesetzt. Einige Hundert bauten für die Hamburgischen Elektricitäts-Werke AG ein Kohlekraftwerk in Alt-Garge im Südosten der Hansestadt. Da sich unter den für den Arbeitseinsatz in erster Linie vorgesehenen ungarischen Juden nicht genug arbeitsfähige Männer befanden, wurden den KZ ab Ende Mai 1944 auch jüdische Frauen zur Zwangsarbeit zugewiesen. Insgesamt sind etwa 13.500 Frauen, unter ihnen 9.700 Jüdinnen und 3.800 politische Häftlinge, in neu eingerichtete Außenlager des KZ Neuengamme eingewiesen worden, davon etwa 7.000 Jüdinnen allein in Außenlager auf Hamburger Gebiet. Die Frauen kamen mehrheitlich aus Polen, der Sowjetunion, Ungarn und der Tschechoslowakei, mehrere Hundert aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Deutschland. Frauen und Männer mussten 8 bis 10 Stunden täglich schwerste Arbeit leisten. Sie wurden in Kolonnen zu den Arbeitsstätten geführt und waren damit für die Hamburger Bevölkerung deutlich wahrnehmbar. Für das Bauunternehmen Wayss & Freitag bauten die weiblichen Häftlinge Plattenhäuser, für Kowahl & Bruns zermahlten sie Trümmerschutt, auf dem Gelände der großen Mineralölraffinerien Rhenania Ossag (Shell), Ebano Asphalt Werke AG und Julius Schindler GmbH führten sie Aufräumungsarbeiten durch, bei den Hanseatischen Kettenwerken in Langenhorn arbeiteten sie in der Munitionsproduktion, bei den Dräger-Werken in Wandsbek stellten sie Gasmasken her. In den häufig von einem mit Starkstrom geladenen Stacheldrahtzaun umgebenen Lagern wurden die jüdischen Häftlinge misshandelt und bei kleinsten Vergehen schwer bestraft. Als sich die alliierten Truppen näherten, ließ Himmler Anfang April 1945 viele Außenlager räumen. Die Häftlinge wurden ins KZ Bergen-Belsen verschleppt, das zu diesem Zeitpunkt aufgrund katastrophaler hygienischer Verhältnisse ein Todeslager war. Weitere Evakuierungsmärsche und -fahrten führten u. a. in die KZ Ravensbrück und Wöbbelin. Tausende erschöpfter und unterernährter Häftlinge starben noch nach Kriegsende an Hunger, Krankheit und Schwäche.

Friederike Littmann