Logenwesen

1843 riefen aus Deutschland stammende Juden in New York den Independent Order of B’nai B’rith (Söhne des Bundes) als jüdischen Orden ins Leben, der sich vor allem karitativen Zielen widmete. 1882 wurde in Berlin erstmals eine B´nai B´rith-Loge auf europäischem Boden gegründet. In Hamburg konstituierte sich die erste Loge des Ordens im Januar 1887.

Benannt war sie nach einem der Gründer des Ordens in Amerika, Henry Jones, einem gebürtigen Hamburger. Die Gründung einer ausschließlich jüdischen Loge stieß in Hamburg anfänglich auf Widerstände in der jüdischen Öffentlichkeit, da hier – anders als in den meisten Teilen des Deutschen Reiches – nichtjüdische humanitäre Freimaurerlogen seit 1841 auch Juden als Mitglieder aufnahmen. Die Henry Jones-Loge entwickelte sich unter dem langjährigen Vorsitz von Gustav Tuch rasch zu einer einflussreichen Vereinigung innerhalb der jüdischen Öffentlichkeit Hamburgs, die – in kritischer Sympathie mit der zionistischen Bewegung ( Zionismus) – zahlreiche Aktivitäten entfaltete, um eine säkulare deutsch-jüdische Identität zu unterstützen. Die Unterstützung der aus Osteuropa emigrierenden Juden gehörte anfänglich zu den zentralen Aktivitäten der Loge. Die Frauenvereinigung der Loge, der Israelitisch-humanitäre Frauenverein, engagierte sich in der Bekämpfung des Mädchenhandels in Osteuropa. Das 1904 eröffnete Logenheim in der Hartungstraße (92) entwickelte sich zu einem Mittelpunkt des jüdischen Lebens in Hamburg. Die Loge initiierte eine Reihe von Vereinsgründungen, so eines Jugendverbandes, des Hamburgischen Vereins für jüdische Literatur und Geschichte und der Gesellschaft für jüdische Volkskunde. Sie waren Teil der Bestrebungen des Ordens, ein modernes, nicht ausschließlich religiöses Selbstverständnis vom Judentum zu schaffen. 1909 und 1922 wurden zwei weitere B´nai B´rith-Logen in Hamburg gegründet, die Steinthal-Loge und die Nehemias Nobel-Loge. Den drei Hamburger Logen gehörten 1922/23 insgesamt 487 jüdische Männer an. Im April 1937 wurde der Unabhängige Orden B´nai B´rith in Deutschland wegen »staatsfeindlicher Umtriebe« aufgelöst und sein gesamtes Vermögen durch den NS-Staat beschlagnahmt.

Andreas Reinke