Spier, Arthur

Pädagoge und Schulleiter, geb. 22.7.1898 Ballenstedt (Anhalt), gest. 30.3.1985 New York

S. wurde 1926 mit knapp 28 Jahren der jüngste jemals an der Talmud Tora Realschule (TTR) ernannte Direktor. Der rasche Aufschwung der TTR unter S.s Leitung und deren Aufwertung von der Real- zur Oberrealschule im Jahre 1932 dokumentierten den guten Ruf, den die Lehranstalt in- und außerhalb Hamburgs genoss. Die politischen Umbrüche des Jahres 1933 stellten S. vor ungeahnte Schwierigkeiten, die er jedoch geschickt zu meistern wusste: So gelang es ihm in den folgenden Jahren eine Mädchenklasse in der Oberstufe einzurichten und die dauernden Schwankungen der Schülerzahlen zu bewältigen – verursacht durch Emigration einerseits und durch Aufnahme von Schülern aus umliegenden Orten wie auch von evangelisch getauften Kindern jüdischer Eltern (die nach der rassistischen Diktion der Nationalsozialisten als Juden galten), andererseits. Er musste die fast täglichen Anweisungen der Gestapo genaustens befolgen und war verantwortlich für das Verhalten der Schüler auf dem Schul- und Heimweg gemäß der strengen polizeilichen Vorschriften. Wenngleich seine nichtzionistische Haltung die Erwartungen seiner Schüler enttäuschte, genoss S. unter diesen großen Respekt. Die Schule blieb ein Hort des Lernens und sogar von fröhlichen Schülerinitiativen – bis zur Reichspogromnacht ( Novemberpogrom), in der zahlreiche Lehrer und Schüler geschlagen und verhaftet wurden. Sein Verantwortungsgefühl bewegte ihn, 1939 von der Begleitung eines Kindertransportes nach England zurückzukehren, aber eine Amerika-Reise 1940 rettete ihm das Leben. Viele seiner ehemaligen Schüler erwarteten ihn eigentlich in Eretz Israel. Sein veröffentlichtes Hauptwerk ist The Comprehensive Hebrew Calendar, der 1952 und wieder 1986 in New York erschien.

Miriam Gillis-Carlebach