May, Raphael Ernst
Wirtschaftspublizist, geb. 21.2.1858 London, gest. 7.7.1933 Hamburg
Als Publizist seiner statistisch gewonnenen Erkenntnisse in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften fand M. in der Zeit von 1895 bis 1920 großes Interesse weit über Hamburg hinaus. Seine Kindheit in Hamburg im Kreis von sieben Geschwistern wurde durch den Tod des Vaters Simon May 1866 jäh unterbrochen. Dieser war Textilgroßhändler mit Großbürgerbrief und als Registrator und Vorsteher der → Deutsch-Israelitischen Gemeinde hoch geachtet gewesen. Raphael Ernst kam zu Verwandten nach Frankfurt a. M., wo er den Besuch einer jüdischen Oberschule mit mittlerer Reife beendete und eine Kaufmannslehre im Metallhandel abschloss. Nach verschiedenen in- und ausländischen Stationen als Kaufmann heiratete er in London Blanche Adler und übersiedelte 1889 wieder nach Hamburg. Hier wurden Tochter und Sohn geboren. Als Teilhaber und späterer Alleineigentümer der Firma Alexander Jahn & Co., Zuckergroßhandel, handelte er erfolgreich im risikoreichen Termin-Warengeschäft, in dem es hauptsächlich auf die umfassende Berücksichtigung von Informationen ankommt. Zusammenfassungen solcher Informationen veröffentlichte er wochenweise in den Handelsteilen Hamburger und Berliner Zeitungen, fand damit immer größere Beachtung und brachte daraufhin seit 1895 Jahresberichte zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung heraus. M. hatte beobachtet, dass der Massenkonsum anwuchs, die marxistische Vorhersage von der langsamen Verelendung der Arbeiter also nicht eintraf. Während des großen Streiks der Hamburger Hafenarbeiter 1896/97, deren berechtigte Forderungen nach verbesserten Arbeitsbedingungen M. unterstützte, suchte er die Zusammenarbeit mit Gewerkschaftsfunktionären, besonders mit dem Führer der Tabakarbeiter und sozial-demokratischen Reichstagsabgeordneten Adolf von Elm. M. war der Mentor für die 1898 erfolgte Gründung des Konsum-, Bau- und Sparvereins »Produktion«. In der veröffentlichten Gründungsgeschichte wurde durch Elms Einflussnahme M.s Anteil stark geschmälert, was diesen zeitlebens gekränkt hat. Zugleich stand M. in bleibendem freundschaftlichen Kontakt zu Eduard Bernstein und versorgte ihn mit statistisch begründeten Argumenten zur Marx-Kritik. Von 1900 an widmete sich M. nur noch seinen Publikationen, die als Aufsätze in renommierten Fachzeitschriften wie Schmollers Jahrbuch, Preußische Jahrbücher, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Finanzarchiv usw. oder als eigene Buchveröffentlichungen erschienen. Themen waren das Volkseinkommen, der Konsum, Steuern und demographische Fragen. Seit Beginn des Ersten Weltkrieges arbeitete er ehrenamtlich in der Hamburger Nachrichtenstelle des preußischen Generalstabes über Außenwirtschaft und Ernährungslagen. Als Militärkreise behaupteten, Juden würden sich vom Fronteinsatz drücken, verfasste M. 1917 eine dies widerlegende Konfessionelle Militärstatistik. Während der Weimarer Republik veröffentlichte M. zahlreiche Erhebungen zur Lage der jüdischen Bevölkerung im Gemeindeblatt der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg. Als er am 7. Juli 1933 in Hamburg starb, beteiligten sich nur wenige an seinem Begräbnis, die Angehörigen übersiedelten nach England.