Werner, Sidonie

Lehrerin, Leiterin sozialer Einrichtungen, Frauenrechtlerin, geb. 16.3.1860 Posen, gest. 27.12.1932 Bad Segeberg

W. stammte aus einer frommen jüdischen Kaufmannsfamilie, besuchte eine höhere Mädchenschule und anschließend ein Lehrerinnenseminar. Nach erstem Unterricht an der jüdischen Volksschule in Altona trat sie in den hamburgischen Volksschuldienst ein und blieb bis zu ihrer Pensionierung Lehrerin. 1893 gründete sie mit Gustav Tuch den Israelitisch-Humanitären Frauenverein, dessen Vorsitzende sie 1908 wurde und bis zu ihrem Tod blieb. Der Verein entwickelte unter ihrer Leitung zahlreiche soziale Aktivitäten für Kinder, Jugendliche und Frauen. Neben ihrer sozialen Arbeit war W. vor allem im Kampf um die Rechte der Frauen aktiv. Sie setzte sich für die berufliche Qualifizierung der Frauen und ihre aktive Mitwirkung im gesellschaftlichen und politischen Leben ein. Als Kandidatin für die Bürgerschaftswahl 1919 erhielt sie von der Deutschen Demokratischen Partei jedoch nur einen aussichtslosen Listenplatz. In anderen Vereinigungen war sie dagegen in leitender Funktion tätig: 1904 war sie Mitbegründerin des Jüdischen Frauenbundes und als Nachfolgerin Bertha Pappenheims von 1915 bis 1925 dessen Vorsitzende. In dieser Funktion trat sie für das Frauenwahlrecht ein, kämpfte gegen den Mädchenhandel und vertrat den Frauenbund auf vielen Reisen im In- und Ausland. 1915 wirkte sie an der Gründung des Stadtbundes Hamburgischer Frauenvereine mit; 1917 wurde sie Vorstandsmitglied in der Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden und 1918 einzige Frau im Vorstand des Hamburger Jüdischen Schulvereins; 1919 war sie Mitglied im Notstandskomitee für die »Ostjuden« und 1921 im Jugendamt der Hamburger Deutsch-Israelitischen Gemeinde. Darüber hinaus arbeitete sie mehrere Jahre als Beisitzerin in der Vereinigung für das Liberale Judentum. Dieses vielfältige Engagement W.s in sozialen und politischen Einrichtungen wurde öffentlich besonders wahrgenommen, als sie 1929 die Weltkonferenz der jüdischen Frauen in Hamburg organisierte.

Ortwin Pelc